MEHR ODER MINDER MENSCHLICH

■ Gott und Teufel auf dem Spielplatz

MEHR ODER

MINDER MENSCHLICH

Gott und Teufel auf dem Spielplatz

Gott und Teufel, Gestalten, die nur noch für Kindergeschichten taugen? Finden wir nicht manchen, der das Teufelsbild für eine Marotte, Gott vielleicht für eine bloß erbauliche Vorstellung des stillen deutschen Lebenssinnsuchers oder des lauthals verzückten Amerikaners hält?

Das holländische Kindertheater „Wederzijd“ zeigt uns eine sehr realistische „Geschichte vom Teufel“. Dieser fast sympathische, grinsende Unterteufel hat dem Soldaten Pjotr Davidov Geld anzubieten, vielmehr: in seinem Koffer steckt das Geld, das sich stets selbst vermehrt. Den Älteren ist dieser mystische Gegenstand auch als Kapital bekannt. Natürlich, da der Teufel auch im bürgerlichen Recht steckt, muß unser Pjotr gegenleisten. Er muß seine Geige, die sich kraft Vaters Genie und Mutters Liebe selbst spielt, herausgeben, auch von der Geliebten lassen, der er sich würglich entledigt. Das Geld wird seine Macht über ihn entfalten, ihn in den Selbstverlust treiben, bis er sich in einer neuen Liebe und seinem eigenen Gegenspiel wiederfindet. Eine schöne Geschichte, vom „Wederzijd“ auch mit packender Komik gespielt und musiziert, von romantischem Geiste und wohl durchdacht: Liebe und Subjektivität erweisen sich erst als wirklich, nachdem sie mit ihrem Gegenteil fertig geworden sind.

Die Kinder stimmte es dann auch nachdenklich, während es die Älteren zu trampelnder Begeisterung veranlaßte.

Zu schön wohl die Vorstellung, daß, so ganz anders als in Wirklichkeit, die Allgewalt der Liebe die des Geldes besiegt. Verkehrte Welt? Doch wenn der Mensch, der eben aus eigener Kraft das Teuflische in der Welt bezwang, sein eigenes Schicksal nicht mehr meistert, bedarf er nicht doch, die Frage stellt das Jugendstück des „Deutschen Theaters Göttingen“, einer „Vorstellung von Gott“? Dem behinderten, sterbensnahen Jungen Heiko wird es zum zentralen Problem, ob Gott denn existiere. Im Traum der Nacht, die seine letzte sein wird, erscheinen ihm Eltern und Freunde, mal sie selbst, mal als Engel oder Priester. Ihnen stellt er seine theologische Frage, die sie nicht beantworten können. Auch die alte und neue Position der Kirchen, Gott als unbedingte, aus der Bibel geschöpfte Wahrheit oder als bloße Vorstellung, die des Menschen Gefühl nun einmal braucht, läßt ihn unbefriedigt. Dann hat er wieder ein typisches Jugendproblem, das Mädchen zieht ihm seinen Freund vor, hier natürlich auch, weil jener nicht behindert ist. Schließlich gibt dem Sterbenden der zu traumhafter Wirklichkeit erwachte Clown seines Puppentheaters die letzte Antwort: „Glaube an Dich!“

Wie kam er nur so plötzlich zu dem Gedanken? Die Gestalt dieses Jungen ist überhaupt unwirklich, als Behinderter wie als Gottessucher. An Gott glaubt er eigentlich, doch versucht er nicht Gründe für den Unglauben zu finden, er will - warum auch immer - glauben, sucht aber keinen der zahlreichen Gedanken, die sich die Menschen im Lauf der Zeiten über Gott gemacht haben, auf, sondern betätigt seinen Wissensdrang im Sammeln von Götternamen der verschiedenen Kulturen. Ist Gott nun ein Gehirntumor oder ein Seelenplacebo für Sterbende?

Hätte man uns realistisch einen Behinderten oder einen Sterbenden gezeigt, der seine ganz normalen Probleme aus der Position dessen, der anders ist, bewältigen muß, wir hätten, da das Gefühl für den Menschen dem Menschen doch eigen ist, mit ihm mitfühlen können. Oder hätte man einen gezeigt, der sich Gedanken darüber macht, ob das Verschwinden Gottes aus der Welt nicht einen Mangel zurückließ - so gedankenleer sind doch Jugendliche nicht - das wäre interessant gewesen. Doch diese mitleidheischende Vermischung läßt einen ziemlich kalt.glagla