■ Wirtschaftsverhör
: Hinterher ist zu spät Prof. Herbert Kubicek: Telekommunikationsgesetze fehlen!

WIRTSCHAFTSVERHÖR Hinterher ist zu spät

Prof. Herbert Kubicek: Telekommunikationsgesetze fehlen!

taz: Auf die Pläne zur Deregulierung der Post reagiert die Postgewerkschaft und auch die SPD mit dem Ruf nach Erhaltung der bisherigen Postdienste. Gleichzeitig wird aber der Ausbau des ISDN nicht hinterfragt, sondern sogar gefordert. Wie hängen denn Netzintegration und Zerschlagung der Post miteinander zusammen?

Kubicek: Die konservative Seite, das Kapital, sieht diesen Zusammenhang glasklar. Das ISDN bietet von der Technik her die Möglichkeiten, sowohl bei den Endgeräten wie bei den Mehrwertdiensten Gewinne zu machen. Die Deregulierung der Post schafft gewissermaßen die Freigabe der rechtlichen Grenzen. ISDN bereitet das technisch vor, die Deregulierung rechtlich.

Was sehen Sie für Möglichkeiten, ISDN zu begrenzen oder gar zu verhindern?

Ich denke, daß die Forderung der Postgewerkschaft nach Erhaltung der gegenwärtigen Strukturen eine notwendige aber keineswegs hinreichende Bedingung ist. Man müßte fordern, daß die Frage ISDN inhaltlich noch einmal von einem geeigneten Forum geklärt wird, und das kann nur das Parlament sein. Wir brauchen überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die Verfahren bei der Telekommunikation, ein Telekommunikationsplanungsgesetz. Wir brauchen Regeln mit Pflichten, Zulassungskriterien und Kontrollinstanzen für die Betreiber solcher Dienste, ein Telekommunikations -Verkehrsgesetz. Drittens brauchen wir eine Kopplung der technischen Entwicklung mit den vielfältigen rechtlichen Regelungen in den Anwendungsbereichen. Ob das bei Telearbeit das Arbeitsrecht ist, bei der überbetrieblichen Vernetzung die Mitbestimmung, bei Tele-banking der Verbraucherschutz, immer wieder werden Bereiche tangiert, bei denen die rechtlichen Regelungen den technischen Transaktionsformen nicht entsprechen. Wie bei der Energiediskussion brauchen wir viertens nicht nur die Diskussion, wie wir bei immer steigenden Datenmengen die technischen Übertragungsmöglichkeiten schaffen können, sondern darüber, ob das Speichern und Übertragen so vieler Daten überhaupt nötig ist. Wir müssen über Dateneinsparung reden. Ein Vorschlag wäre etwa eine Datenabgabe, die von dem Volumen der gespeicherten Daten abhängt, und von dem Verursacher zu bezahlen ist. Daraus können dann die Kontrolleinrichtungen im Datenschutz finanziert werden.

Der Kommunikationswissenschaftler Claus Eurich hat bei der Anhörung angedeutet, daß es weniger um die Schaffung von Regeln, sondern eher um direkte Maßnahmen zur Verhinderung von ISDN gehen müsse. Sehen Sie da eine Kontroverse zu Ihren Vorstellungen?

Nein, ich bin auch pessimistisch, was unmittelbare Durchsetzungsmöglichkeiten für diese Forderungen betrifft. Wir sehen ja auch in anderen Bereichen, daß immer dann erst regulierend eingeriffen wird, nachdem das Kind halb in den Brunnen gefallen ist. Ich sehe aber die Möglichkeit, gegen gewisse Einzelmerkmale wie Weitergabe der Rufnummern vor den Gerichten zu klagen. Auch bei der Kernenergie waren juristische Prozesse ein aufschiebendes Element. Vielleicht tritt ja eine breite Bewegung erst dann auf, wenn ein Teil der von uns geschilderten Gefahren eingetreten sind.Interview: Rolf Gramm