Weltwirtschaftsgipfel: G 7-Chefs Personae non gratae

■ Kanadische Gruppen bereiten Widerstand gegen Weltwirtschaftsgipfel vor / Kampagne für Einreisevebot von Kohl & Co wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Weltwirtschaftsgipfel: G 7-Chefs Personae non gratae

Kanadische Gruppen bereiten Widerstand gegen

Weltwirtschaftsgipfel vor / Kampagne für Einreisevebot von Kohl & Co wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Aus Toronto Thomas Siepelmeyer

Wenn es nach kanadischem Recht und Gesetz zugeht, dürfen die Regierungschefs der sieben größten westlichen Staaten ihre Konferenz in Toronto vom 19. bis 21. Juni nicht abhalten. Das meint wenigstens die Jury eines Tribunals, das vom 9. bis 11. dieses Monats in einer Kirche Torontos stattfand. Dieses Tribunal „Gegen die Verbrechen des offiziellen Terror -Netzwerks der Großen Sieben“, wie der Weltwirtschaftsgipfel genannt wird, befand, daß gemäß dem Gesetz C-7l aus dem Jahre 1987 den sechs Regierungschefs die Einreise nach Kanada verwehrt werden und der kanadische Ministerpräsident Mulroney wegen Gesetzesverstoßes verhaftet werden müsse.

Diese Verfahrensweise schreibt das kanadische Gesetz ausdrücklich gegen Leute vor, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Da die Veranstalter - über einhundert kanadische und amerikanische Organisationen und „Prominente aus verschiedenen Bewegungen“ - nicht damit rechnen, daß die kanadische Justiz ihrem Verlangen nachgibt, wollen sie selbst diese Verhaftungen und Ausweisungen am 19. Juni während einer großen Demonstration in Toronto vornehmen. Sie wollen das Tagungszentrum blockieren und das Recht kanadischer Bürger massenhaft wahrnehmen, in vorgefertigten Schreiben von der anwesenden Polizei ein Einschreiten aufgrund von C-7l zu verlangen.

Nach Professor Richard Falk, einem Völkerrechtsexperten von der Princeton-Universität, der als Zeuge auf dem Tribunal sprach, geht es den Gegnern der „Großen Sieben“ nicht einfach um die Anwendung eines Gesetzes, das ihnen im Wortlaut recht gibt und vom kanadischen Parlament verabschiedet worden ist, um ehemalige Nazi-Kriegsverbrecher aus dem Land fernzuhalten. Falk sieht in der Anwendung dieses Gesetzes einen Schritt, das Volk wieder zum Souverän des Rechts zu machen. Er will die vielen Menschenrechtskonventionen, die Erklärungen zum Schutz der Umwelt und für die Rechte eingeborener Völker durch die betroffenen Menschen und sozialen Bewegungen genutzt wissen.

Verletzungen internationalen Rechts wurden auf dem Tribunal in jeder Hinsicht festgestellt. Die amerikanische Ökonomin Cheryl Payer stellte dar, daß die „G 7“ den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank beherrschen und unter anderem über diese beiden Institutionen die Völker der Dritten Welt mit Hungerprogrammen, Zerstörung ihrer sozialen Zusammenhänge und dadurch vieltausendfachem Tod überziehen.

Zu jeder Region der Welt sagten Betroffene wie Experten aus; zum Beispiel stellt der ehemalige amerikanische CIA -Agent Philipp Agee dar, wie er selbst an Programmen der Destabilisierung und Counterinsurgency in Zentralamerika im Auftrag der US-Administration teilgenommen habe. Die Themen des offiziellen Gipfels - Aufrüstung, GATT-Zollrunde, Verschuldungskrise der Dritten Welt und die Apartheid in Südafrika - wurden auf ihre Auswirkungen auf die Menschen in der Dritten Welt hin untersucht. Einhellige Feststellung der Jury war, daß auch während des Gipfels in Toronto eine Politik des Terrors geplant werde. Deswegen sollen alle Maßnahmen ergriffen werden, diese Politik zu behindern.

Im Zentrum des Hearings stand zwar die US-amerikanische und kanadische Politik, doch wurde auch die Haltung der anderen fünf beteiligten Regierungen untersucht. Großbritanniens Rolle in Nordirland, Frankreichs Neokolonialismus im Pazifik und die Unterstützung aller Regierungen für die israelische Politik gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten wurden von der Jury verurteilt. Die BRD wurde besonders angegriffen für ihre tiefe Verstrickung in die US -Aufrüstungspolitik und Unterstützung der amerikanischen Streitkräfte in Europa. Japan hat im asiatischen Raum durch ungehemmtes Abholzen der tropischen Wälder eine ökologische Katastrophe mit tödlichen Konsequenzen für die dort lebenden Menschen heraufbeschworen. Außerdem wurde es wegen seiner verstärkten Kontakte mit Südafrika verurteilt, die Japan zu einem der wichtigsten Handelspartner des Rassistenregimes gemacht haben. Die Beteiligung an der atomaren Aufrüstung und die atomare Verseuchung durch den Betrieb von Atomkraftwerken wurde allen Regierungen zum Vorwurf gemacht.

Die Aktionen, die kanadische Gruppen gegen den Gipfel planen, entsprechen weitgehend den Vorstellungen, die zur IWF/Weltbank-Tagung in Berlin im September von bundesdeutschen Gruppen diskutiert werden. Die Demonstration wird von Aktionstagen während des Gipfels begleitet, in denen gegen die Polizei das Recht auf Versammlung, das Recht auf eine freie Stadt ohne Schikanen durchgesetzt werden soll.

Während der Tagung selbst findet ein sogenannter „Volksgipfel“ statt, auf dem vor allem die Militarisierung Kanadas, Kanadas Verhältnis zu den USA und Umweltfragen erörtert werden sollen.

Der zuständige Polizeichef Fantino behauptet, daß unter einem Deckmantel der Friedfertigkeit Gewalt und Terror von den Gruppen vorbereitet würden und ganz Toronto solle als „Geisel“ genommen werden. Die Polizei plant große Teile der Innenstadt abzusperren.