Mitterand sucht die Mitte Minderheitsregierung unter Rocard

Mitterand sucht die Mitte

Minderheitsregierung unter Rocard

Paris (taz) - Kein Schnellzug führt in Frankreichs Mitte. Lokführer Mitterrand hat die Weichen für die Reise gestellt, doch das Tempo gedrosselt.

„Es gibt eine einfache parlamentarische Mehrheit. Sie ist stark, sie ist kohärent, sie wird andauern“, versprach der Staatspräsident in seiner mit Spannung erwarteten Fernsehansprache nach den Wahlen. Er kündigte damit die Bildung einer sozialistischen Minderheitsregierung unter Premierminister Michel Rocard an, den er nach seinem Rücktritt am Dienstag noch vor der Konstituierenden Versammlung des neuen Parlaments im Amt bestätigen will.

Nach der Zwischenstation Minderheitsregierung aber will Mitterrand weiter voran. Erneut erließ er einen Appell: Er hoffe, daß sich Schritt für Schritt immer mehr Franzosen um seine Politik scharen werden: „Die Öffnung muß ausgehend von den fortwährenden Werten der Demokratie und der Republik gesucht werden“, predigte der Präsident mit den gleichen Worten, die zuvor Raymond Barre gewählt hatte, um seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Sozialisten zur Schau zu stellen. Mitterrand ließ Barre in sein Führerhäuschen zusteigen - doch selbst ihr gemeinsamer Dampf bringt die parlamentarischen Anhänger nur schwer in Gang.

Ein Erfolg ist dennoch zu melden. Die 50 Abgeordneten des „sozialdemokratische Zentrum“ (CDS), einer bisher im rechtsliberalen Parteienkonglomerat UDF organisierten Gruppierung, wollten noch am Mittwoch abend ihren Willen bekunden, sich vom rechten Parteienblock loszukoppeln und eine selbständige Fraktion zu bilden.

Freilich betonten die CDSler, sich fortan weiterhin der „Union der parlamentarischen Opposition“ zugehörig zu fühlen. Eine erste parlamentarische wichtige Weichenstellung in Richtung Mitte-Linksregierung aber ist erfolgt.

„Mitterrand hat die pragmatische Lösung gewählt“, sagte gestern Barre-Freundin Simone Veil. Sie hat recht. Mitterrand wird die Regierung bitten, nun vorsichtig anzuheizen, damit kein Wagen aus dem Gleis gerät. Nur so kann die Reise weitergehen - bis zu den Gemeindewahlen im nächsten Frühjahr, wo die CDSler nur in der UDF und die Sozialisten nur mit der KPF gewinnen können. Erst nach diesem Wahlrummel können die Gleisampeln endgültig auf grün schalten.

„Frankreich ist und wird regiert“, versicherte Mitterrand. Solch Versicherung ist wohl nur nötig, weil niemand weiß, wo Frankreichs Mitte wirklich liegt.Georg Blume