In vollem Wichs für die deutsche Einheit

■ Anläßlich des 17. Juni marschierten 200 Burschenschaftler zu einem revanchistischen Spektatkel vor dem Brandenburger Tor auf / GegendemontrantInnen warrnten vor zahlreichen rechtskonservativen und faschistischen Aktivitäten in den kommenden Wochen

Unter dem Motto „35 Jahre sind genug“ versammelten sich gestern gegen 14 Uhr rund 200 Burschenschafter, die aus der Bundesrepublik nach West-Berlin angereist waren. Am Reichstag setzten sich die Demonstranten in Richtung Brandenburger Tor in Bewegung, um dort den „Opfern des heldenhaften Aufstandes in Berlin und Mitteldeutschland“ vom 17. Juni 1953 zu gedenken.

Der anachronistische Zug, der bildlich von Nadelstreifenanzügen, Bäffchen in Corpsfarben, schwarz-rot -goldenen Schärpen, anständigen Haarschnitten geprägt und von vier kränzetragenden „Füchsen“ in vollem Wichs angeführt wurde, kam ungehindert bis zum Brandenburger Tor.

Bereits gegen 13.00 Uhr hatten sich vor der Philharmonie rund 500 GegnerInnen der großdeutsch-ambitionierten Berlin -Touristen zu einer Gegenveranstaltung zusammengefunden. Die Gegner des revanchsistischen Spektakels wurden von der Polizei auf dem Weg zur Kundgebung einer peniblen Leibesvisitation unterzogen. Die Kundgebung verlief ruhig. In den Wortbeiträgen wiesen die RednerInnen auf zunehmende Aktivitäten rechtskonservativer und faschistischer Kreise in den kommenden Wochen in Berlin hin. So trifft sich am 25. Juni die „Neu-Cause“ - die politische Abteilung der Mun -Sekte. Am darauffolgenden Tag hält die „Deutsche Volks -Union“ ihre Bundesversammlung im ICC ab. Nach Informationen der taz wollen die Jungen Nationaldemokraten eine Sonnenwendfeier am 21./22. Juni in West-Berlin feiern.

Nach der Kundgebung zogen die meisten DemonstrantInnen zum Norbert-Kubat Dreieck und von dort aus - an der Mauer entlang - in Richtung Brandenburger Tor. Als ein „alter Herr“ auf einer Trompete das Soldatenlied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ anstimmte, ging diese Weise in ohrenbetäubenden „Kölle Alaaf“ und „Helau„-Rufen unter. Zwischen den GegnerInnen und Burschenschaftern hatten sich mittlerweile massive Polizeikräfte geschoben. Zeitweilig wurde der Zugang zum Norbert-Kubat-Dreieck abgeriegelt. Ein Gegendemonstrant wurde ohne ersichtlichen Grund vorläufig festgenommen; ihm wird „Beleidigung“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ vorgeworfen.

Rund 2.000 Mitglieder der Jungen Union aus der ganzen BRD zogen dann, begleitet von Bundesarbeitsminister Blüm, unter den Rufen „Die Mauer muß weg“ vom Wittenbergplatz zum Fehrbelliner Platz. Nach Angaben der Polizei verlief der Umzug zum Tag der Deutschen Einheit friedlich.

ccm/time