Einmalig zu zweit: Die Drei Tornados

Weil Holger Klotzbach, einer der drei Kabarettisten, während einer Vorstellung in der Ufa-Fabrik einen Herzinfarkt erlitt, tritt das Restduo mit computergesteuertem Leierkasten auf / Publikum forderte nach abgebrochener Show Geld zurück  ■  Aus Berlin Lutz Ehrlich

„Das ist unser elektronischer Holger.“ Günther Thews, einer der Scherzkekse der nach wie vor erfolgreichsten bundesdeutschen Anarcho-Kabarett-Truppe „Die Drei Tornados“, wirft einen Blick auf das Ding. Es sieht unten aus wie ein Kinderwagen, oben wie ein Leierkasten. Es ist eine Drehorgel, funkelnagelneu und rein äußerlich dem Stil der Jahrhundertwende nachempfunden. Aber drinnen geht's rund, und keinesfalls mit Walzen und Nägeln. Das Herz des Dings besteht aus Mikrochips.

Der Einzug des Computers ins deutsche Kabarett ist allerdings nicht das Ergebnis eines Umdenkprozesses in Sachen Technikfeindlichkeit bei den Alt-Linken - der Grund ist menschliches Versagen.

Es war ein Freitag, nicht der dreizehnte, aber ungeheuer schwül. Im ausverkauften großen Saal der Berliner Ufa-Fabrik treten „Die Drei Tornados“ auf: „Hey, was ist denn da los, das sind 'Die Drei Tornados‘!“ brüllen sie in bekannter Manier ihrem Publikum entgegen, das gedrängelt wie Ölsardinen auf den Bänken sitzt. Die Luft ist zum Schneiden, die Scheinwerfer tun ein übriges. Auf der Bühne: Schwerstarbeit. An solchen Tagen erreichen die Temperaturen 50 Grad. Die Pause kommt, die Tornados verschwinden in der Garderobe. Holger Klotzbach, 42, der Tornado mit der Quetschkommode, greift zu Pils-Dose und Zigarette und stellt sich an die frische Luft. Die haut ihn prompt um: Die Knie mulmig, das Gesicht aschfahl, die Lippen blau - und dann dieser Schmerz in der Brust. Ein ganz normaler Schwächeanfall? Einer von diesen Um-Fällen, wie sie sonst nur im Publikum vorkommen?

Ein Arzt aus dem Publikum begutachtet den abgestürzten Tornado und rät zum Krankenhaus. Während die Berliner Feuerwehr noch nicht weiß, ob sie nun mit einem Krankenwagen oder einem Löschwagen anrücken soll und Holger Klotzbach in der Garderobe liegt und nach Luft schnappt, rücken schon die ersten solidaritätserprobten linksalternativen Zuschauer hartnäckig in die Garderobe vor. Da die zweite Hälfte des Programms nicht mehr stattfinden werde, wollen sie ihr Geld zurück.

Mit Blaulicht wird Torado Holger ins nächste Krankenhaus gefahren. Unvermittelt findet er sich zwischen den Apparaten und Schläuchen der konservativen Intensivmedizin wieder. Die Diagnose am nächsten Morgen: Herzinfarkt. Als der Arzt ihm die freudige Mitteilung macht, er befinde sich jetzt außer Lebensgefahr, wird ihm klar, daß diese Attacke kein Witz war. Er ist für drei Monate aus dem Verkehr gezogen.

Beim Restduo Günther Thews und Arnulf Rating herrscht unterdessen hektische Betriebsamkeit: Die Auftritte müssen abgesagt werden, gelöste Karten können an den Vorverkaufsstellen zurückgegeben werden etc. Und wieder läßt sich das revolutionsprobende Publikum nicht lumpen: Sie wollen nicht nur den Eintritt, sondern auch die Vorverkaufsgebühr zurück. Jetzt sind auch Günther T. und Arnulf R. zum Nichtstun verdammt.

Da kommt ihnen die Idee mit der Drehorgel. Auf einer Messe haben sie mal einen Herrn mit grauen Schläfen kennengelernt: Herrn Hofbauer aus Göttingen. Der hat dort eine Orgelfabrik und er besitzt das weltweite Patent für Chips in Drehorgeln. Per Synthesizer wird die gewünschte Melodie auf einen Chip programmiert. Danach ist das Repertoire jederzeit abrufbar. „Nur drehen muß man noch selber.“ Natürlich könne das „Harmonipan“ keinen Menschen ersetzen, schon gar nicht einen Holger Klotzbach. So aber könnten sie wenigstens seine Musik retten. Einen großen Vorteil hat die Orgel allerdings: „Die ist garantiert infarktsicher.“ Ihren Praxistest hat sie schon bestanden. Als die Resttornados ihrem kranken Kollegen Holger die neueste Errungenschaft vorgestellt hatten, konnten sie in kürzester Zeit stolze zwanzig Mark im Krankenhauspark einnehmen.

Schön, gut und notwendig findet auch Rekonvaleszent Klotzbach die Idee mit dem „Harmonipan.“ Bloß zu erfolgreich sollen seine Kollegen damit auch nicht sein. Sonst kämen sie womöglich noch auf die Idee, er sei überflüssig. Und trotz Herzinfarkt will er doch noch nicht im Krankenhaus anheuern

-als Schwester Olga.

Letzter Auftritt der „Drei Tornados - einmalig zu zweit“: heute um 20.00 Uhr und um Mitternacht im Berliner Tempodrom