Stammheim-Standard: Lebenslänglich

Plädoyer und Strafanträge der Bundesanwaltschaft: Lebenslänglich für Eva Sybille Haule-Frimpong, je 12 Jahre für Luitgard Hornstein und Christian Kluth / BAW: „Sie wollen ihren Kampf bis zum Umsturz fortsetzen“  ■  Aus Stuttgart Dietrich Willier

Seit zehn Monaten verhandelt der 5.Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart-Stammheim den Prozeß gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Roten Armee Fraktion, Eva Sybille Haule-Frimpong, Christian Kluth und Luitgard Hornstein. Nach achtstündigem Plädoyer formulierte die Bundesanwaltschaft am vergangenen Donnerstag ihren Strafantrag: Lebenslänglich für Frau Haule-Frimpong, je zwölf Jahre Gefängnis für Christian Kluth und Luitgard Hornstein. Die Angeklagten nehmen's gelassen, reden und lachen miteinander, auch eine Beschwerde der Bundesanwälte konnte ihre Aufmerksamkeit nicht erzwingen. Am kommenden Dienstag plädieren ihre Anwälte, am 28. Juni soll das Urteil gesprochen werden.

Vor fast zwei Jahren, am 2.Au-gust, wurden die Drei verhaftet, ein Rüsselsheimer Eisdielenbesitzer hatte sie verpfiffen. Die Anklage: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Urkundenfälschung und bei Frau Haule zusätzlich illegaler Waffenbesitz. Doch schon drei Monate später wurde auf Antrag der Bundesanwaltschaft die Anklage erweitert. Mordversuch in 43 Fällen. Eva Sybille Haule-Frimpong soll als Mitglied der RAF persönlich an der Planung und Durchführung eines versuchten Sprengstoffanschlags, am 18. Dezember 1984, auf die NATO -Schule in Oberammergau, und an einem umfangreichen Waffenraub beteiligt gewesen sei. Ihre Mitangeklagten Kluth und Hornstein, sollen - ebenfalls als Mitglieder der RAF an einem Sprengstoffanschlag auf die Immenstadter Niederlassung der Daimler-Tochter Dornier beteiligt gewesen sein. Und was die Bundesanwaltschaft einmal anklagt, gilt für sie auch als erwiesen.

Zwar mußten die Bundesanwälte in ihrem Plädoyer zugeben, daß einzelne ihrer Indizien durchaus Zweifel zuließen, insgesamt aber, so Bundesanwalt Peter Zeis, sei das Bild eindeutig. Und in Stammheim haben ja ein paar Indizien allemal zu einer Verurteilung ausgereicht. In keinem anderen Stammheimer Prozess aber war die Beweislage dürftiger als in diesem.

Der Waffenraub in Maxdorf: Ein einziger, mittlerweile verstorbener Zeuge, will auf Fotos Frau Haule-Frimpong als Fahrerin eines roten PKW erkannt haben. Noch lebende Zeugen hatten sie nicht identifiziert. Oberammergau: Aus Inhalt und Diktion von zwei Erklärungen der RAF, und einer weiteren, zusammen mit der französischen „Action Directe“, will die Bundesanwaltschaft die Autorenschaft von Frau Haule-Frimpong erkannt haben. Frau Haule-Frimpong sei „der eigentliche Kopf der Bande“ gewesen. Kontakte zum Umfeld und zu Action Directe sowie „Gipfeltreffen auf höchster Ebene“ seien nur über sie gelaufen. Der frühere Kontakt Frau Haule-Frimpongs zu den mutmaßlichen RAF-Mitgliedern H. und B. Meyer ist längst bekannt, für den Rest fehlen selbst Hinweise auf Indizien.

An dem Sprengstoffanschlag auf die für Elektronik und Wehrtechnik zuständige Zweigniederlassung von Dornier sollen sich neben Hornstein und Kluth auch die mittlerweile verhaftete Andrea Sievering und Eric Brauss beteiligt haben. Indizien der BAW: Die vier haben einst in Köln zusammengewohnt, bei Kluth war eine Kopie des Flugblatts gefunden worden, Frau Hornstein soll einige Tage nach dem Anschlag in Kressbronn am Bodensee gesehen worden sein.

Mutmaßlich hat aber doch etwas ganz anderes die Bundesanwälte zu den ungewöhnlich harten Strafanträgen verführt. Alle drei Angeklagten, so Bundesanwalt Zeis, hätten sich auch während ihrer Untersuchungshaft zum militanten Widerstand bekannt. In Briefen und Erklärungen würden sie noch heute an den terroristischen Zielen der RAF festhalten, sie seien feige und ohne jeglichen Realitätsbezug. Der normale Strafrahmen reiche deshalb zur Sühne nicht aus. In ihrem Plädoyer lieferten die Bundesanwälte erstmals eine neue Interpretation des Paragraphen 129a, wonach auch in der Haft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fortbestehen könne. Dafür wurde im vergangenen Jahr die Höchststrafe von fünf auf zehn Jahre verdoppelt. Wohl um einer Nichtanerkennung dieser Interpretation durch das Gericht vorzubeugen, forderte die Bundesanwaltschaft vorsorglich 12 Jahre für den Anschlag auf Dornier.