St.-Jürgen-Arzt kassierte 10.000

■ Entdeckung eines überflüssigen Syphilis-Tests hilft 600.000 Mark pro Jahr sparen Eine gewisse Dr. Rüdiger überreichte im Krankenhaus den Prämien-Scheck

10.000 Mark soll jetzt ein Assistenz-Arzt des Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße kassieren unabhängig von seinen sonstigen Einkünften. Nur durch einen grauen Hinweiszettel aus der Senatskanzlei hatten Fotografen und JournalistInnen Wind von dem gestrigen, beinahe perfekt konspirativ organisierten Treffen der Scheckübergabe erfahren. Auf dem Klinik-Gelände wollte allerdings niemand wissen, wo, wann und wodurch der Kollege Dr. Orhan Sezer das unübliche Zubrot verdient habe. Auskunft im Vorzimmer der ärztlichen Direktion: „Einen Dr. Sezer kenne ich nicht.“ Angeblich unbekannt war auch eine Frau, die nach zuverlässigen Informationen aus

gut unterrichteten Kreisen den Scheck übergeben sollte: „Dr. Vera Rüdiger? Wer soll das denn sein? Auf welcher Station soll die denn arbeiten?“, erteilte der Pförtner höchst unwillig und vor allem wenig hilfreiche Auskunft.

Der gute Mann fürchtete offenkundig Schlimmstes, als er notizblock-und teleobjektiv-bewehrte Menschen über das Klinikgelände irren sah. Dabei, für alle die es in-und außerhalb des Krankenhauses noch nicht wissen: Frau Dr. Rüdiger ist keine Vertreterin eines windigen Pharmaunternehmens, sondern seit einem halben Jahr Bremens neue Gesundheitssenatorin. Und Herr Dr. Orhan Sezer ist auch nicht Nachfolger des inzwischen gefeuerten Einkaufsleiters Willi Möhle und zuständig für die Beschaffung von Desinfektionsmitteln, sondern Arzt für Innere Medizin und ein lobenswerter Mann. Schließlich: Die kleine Gehaltsaufbesserung kriegt Sezer nicht dafür, daß auf seine Veranlassung irgendwelche, mehr oder weniger überflüssige Medizin-Gerätschaft eingekauft wurde, sondern weil dank seiner Arbeit künfig weniger eingekauft werden muß.

Herr Dr. Sezer hat nämlich entdeckt, daß seit Kriegsende in der

St.-Jürgen-Klinik (wie auch in

fast allen sonstigen Kliniken der Bundesrepublik) jede(r) neue PatientIn routinemäßig auf Syphilis-Lues untersucht wird und herausbekommen, daß dieser Routine-Test eigentlich ersatzlos gestrichen werden könnte, weil die Infektionen ohnehin seit Jahren drastisch gen Null tendieren. 17 Mark können pro Patienten-Nase durch den Verzicht auf die notwendigen Lues-Nachweis-Reagenzien gespart werden. Jährlicher Spareffekt für die Klinik insgesamt: 600.000 Mark. Ein Vorschlag also fürs innerbe- triebliche Verbesserungs-Vorschlagswesen, ein guter dazu, weil mit einfachen Mitteln große Effekte zu erzielen sind, und der Gesundheitssenatorin glatte 10.000 Mark wert.

Auch in Zukunft routinemäßig untersucht werden in der Klinik: Blutbild, Leberenzyme, Nierenfunktionen und Symptome auf Gebärmutterhalskrebs. Zu verdienen ist dabei durch innerbe- triebliche Verbesserungsvorschläge wohl nichts mehr: Daß z.B. letztere Untersuchung möglicherweise nur bei Frauen angezeigt ist, hat sich unter Klinik-Ärzten angeblich auch so schon rumgesprochen.

K.S.