Zahn um Zahn

■ Wie ein Sinti-Junge von einer Bremer Ärztin gegen Zahnschmerzen und seine Mutter gegen Einbruchsgefahr behandelt wurde / „Bei Zigeunern richtig gehandelt!“

Der 13jährige Erich hatte üble Zahnschmerzen: aber nicht passend am Werktag oder zu den Öffnungszeiten bremischer Zahnarzt-Praxen, sondern Samstag nacht gegen 22 Uhr. Von der ärztlichen Notrufzentrale bekam die besorgte Mutter die Telefonnummer der Zahnärztin Dr. Petzold, die für den Notdienst eingeteilt war. Weil aber beide Eltern Sinti sind, so meint der Vater Hugo Ernst, hat die Ärztin sich „mehr als merkwürdig“ verhalten. Denn als Mutter, Vater und Sohn wie verabredet gegen 22.30 Uhr mit dem schmerzgeplagten Sohn vor der Praxistür standen, wollte die Ärztin „hier nicht lange rumdiskutieren“ und wies kurzentschlossen die beiden Erwachsenen an: „Sie warten bitte draußen.“ Damit war gemeint: Draußen auf der Straße.

Der empörte Vater war drauf

und dran, die Polizei anzurufen, die Mutter bat aber so lange, bis sie ins Haus gelassen wurde und in die Praxis und in den Behandlungsraum durfte. „Bitte setzen Sie sich hier hin, laufen nicht rum, und bleiben Sie in Sichtweite, damit ich Sie im Blick behalte“, ordnete die Ärztin an und wandte sich dem kleinen Patienten zu, den sie auch nach allen Regeln ihrer Kunst verarztete.

Von der Notfallzentrale bekam Hugo Ernst noch in derselben Nacht den Rat, doch bei der Ärztekammer eine Beschwerde über die Zahnärztin einzureichen. „Das tue ich auf jeden Fall“, so Ernst gegenüber der taz, „wenn Eltern oder wenigstens die Mutter nicht bei ihrem Kind sein können oder ins Wartezimmer gelassen werden, sind das Unterstellungen und Vorurteile gegenüber den Sinti!“

Dr. Petzold wollte sich auch am Montag noch schier schütteln, wenn sie „an den scheußlichen Nachtdienst“ dachte: „Das ist regelmäßig unzumutbar, was einem da geboten wird!“ Leute, die nur zu normalen Öffnungszeiten nicht warten wollten, kämen einfach nachts, Prothesen sollten repariert und wochenlange Schmerzen gerade am Wochendene auskuriert werden. Zur Sache selbst hatte sie gegenüber der taz eine ganze Reihe Gründe parat, warum sie den Eltern den Eintritt verwehren wollte: „Ich bin ganz allein im Haus und ohne Assistentin, da hole ich nicht drei Fremde herein!“ Nachdem sie einmal einen Überfall überstanden habe, sei sie eben vorsichtig geworden, und schließlich könne man einen 13jährigen ja wohl allein behandeln.

Daß die beiden Eltern mit ih

rem Gefühl, diskriminierend behandelt worden zu sein, trotzdem richtig lagen, wurde allerdings aus jedem Satz der Zahnärztin deutlich: „Das sind doch alles so Leute, die es gewohnt sind, auf dem Sozialamt auf die Pauke zu hauen und nachher mit Mercedes vorzufahren! Ansprüche haben die, daß der Staat alles tun muß!“ Nur zu gerne, so Frau Dr. Petzold, hätte sie Hugo Ernst die Polizei anrufen lassen: „Ich weiß doch, wie das ist: Die wandern in den Räumen rum und kontrollieren das durch, da war doch nebenan die Kasse!“ Direkt ausländerfeindlich will sie ihre Einstellung nicht werten: „Das hätten auch Deutsche sein können aus einer miesen Gegend. Wenn ich aber jetzt noch höre, daß das Zigeuner waren, bin ich richtig froh, dann hab ich das ja richtig gemacht!“ Susanne Paa