Wohnung wegen Mietminderung geräumt

■ Unter dem Vorwand, einen Straftäter zu suchen, räumte die Polizei gestern die besetzte Etage in der Pfuehlstraße 5 / Die Besetzer waren nicht zu Hause / Sie hatten seit Monaten aus Protest gegen die zu hohen Gewerbemieten die Mietzahlungen verringert

Die Suche nach einem „Straftäter“ war der von der Polizei genannte Grund für die gestrige Großaktion in der Pfuelstraße 5 in SO36. Alarmiert wurde die Polizei vom Hausmeister, der angab, am Vormittag von einem Bewohner der besetzten Etage geschlagen worden zu sein. Der Besitzer des Hauses, die Kuthe GmbH, nutzte die Gunst der Stunde zur Räumung der besetzten Etage. Bei Redaktionsschluß war unklar, ob die Besetzer wieder in der Wohnung waren. Am Abend sollte noch eine VV in der Pfuehlstraße stattfinden.

Acht Einsatzwagen und Beamte in Kampfausrüstung sperrten mehr als zwei Stunden, von ca. 13 bis 15.30 Uhr, die gesamte Pfuelstraße ab. Weil die Bewohner des Gebäudekomplexes die beiden eisernen Tore von innen verriegelt hatten, verschafften sich die Beamten ohne Zögern und ohne den Besitzer zu unterrichten, Zutritt durch die benachbarte Autowerkstatt. Mehrere Aufgänge des Gebäudekomplexes wurden von der Polizei besetzt, Beamte auf den Dächern postiert.

Während ein Trupp die besetzte Etage im vierten Stock des Hinterhauses aufbrach und durchsuchte, inspizierten andere Aufgänge und mögliche Fluchtwege. Mit Video wurden die Räumlichkeiten und Personen, die sich an den Fenstern zeigten, abgefilmt. Beamte der Kripo stellten in der besetzten Etage - die BewohnerInnen waren nicht zu Hause die angebliche „Tatwaffe“ sicher: Eine mit grüner Holzschutzfarbe gestrichene, etwa ein Meter lange Holzlatte. Die Hausbewohner berichten von einer „Rempelei“ mit dem Hausmeister, mit einer Latte habe ihn niemand geschlagen.

Gegen 14 Uhr erschien Besitzer Kuthe mit Gerichtsvollzieher und rechtskräftigem Räumungstitel. Er nahm die Etage in Besitz, die Polizei baute ein neues Schloß ein. Offizielle Begründung für die Räumung: Mietrückstände seit letztem August. Tatsächlich aber hatten die Bewohner lediglich die Miete gemindert.

Die Kuthe GmbH hatte daraufhin den gesamten Betrag nicht mehr abgebucht. Im ganzen Haus herrscht seit langem Unmut gegen die bestehenden Gewerbemietverträge, die eine jährliche Mieterhöhung von sechs Prozent beinhalten.

bf