Gullits großes Manko: „Er ist kein Deutscher“

Franz Beckenbauer zur Lage vor dem heutigen Halbfinale  ■  I N T E R V I E W

dpa: Herr Beckenbauer, BR Deutschland gegen Niederlande, das ist ein Spiel mit Tradition und Rivalität. Wo liegen die Chancen?

Beckenbauer: In der Geschlossenheit sind wir sicherlich stärker als die Niederländer. Sie haben eine sehr gute Mischung mit einigen herausragenden Spielerpersönlichkeiten wie Gullit, van Basten, Rijkaard und Koeman. Einen so kompakten Spieler wie Gullit haben wir allerdings nicht. Er ist ein perfekter Athlet mit dem einzigen Manko, daß er kein Deutscher ist.

Was unterscheidet das heutige niederländische Team von dem, das 1974 im Finale gegen Deutschland 1:2 verlor und damals als beste niederländische Mannschaft aller Zeiten gefeiert wurde?

Grundsätzlich kann man die Teams verschiedener Generationen nicht miteinander vergleichen. Die Niederländer besaßen viele gute Einzelspieler. Einen Johan Cruyff kann man beispielsweise nicht mit Ruud Gullit vergleichen. Cruyff war sicherlich nicht weniger perfekt, aber er war mehr ein Spielmacher, während Gullit sich nicht zu schade ist, auch Drecksarbeit zu verrichten.

Sie treffen bereits im Oktober in der WM-Qualifikation für 1990 mit ihrer Mannschaft erneut auf die Niederländer. Kommt dem Halbfinale in Hamburg nicht deshalb eine doppelte Bedeutung zu?

Es könnte schon ein psychologischer Vorteil sein, wenn wir das Spiel am Dienstag gewinnen. Wahrscheinlich werden wir in vier Monaten in fast gleicher Besetzung wieder aufeinander treffen.

Haben Sie eigentlich nach dem Erfolg über Spanien mit ihrem schärfsten Kritiker Paul Breitner gesprochen, mit dem Sie ja 1974 gemeinsam in München Weltmeister geworden sind?

Ich habe den Paul nicht gesehen und wünsche ihn auch nicht zu sprechen.

Der Aufschwung der deutschen Mannschaft ist sicherlich wesentlich mit dem Namen Lothar Matthäus verknüpft. Welchen Stellenwert hat er für die Mannschaft?

Der Lothar ist eine der erfreulichsten Erscheinungen dieser EM.

Gespräch: H.-J. Zwingmann