Italiens KP: alter Wein in neuen Schläuchen

Ein Apparat-Mann soll Italiens müder und angeschlagener Kommunistischer Partei neue Perspektiven verschaffen: Achille Occhetto löste den zurückgetretenen Alessandro Natta im Vorsitz ab / Die Chance zur Erneuerung der Partei wurde jedoch schon vor der Neuwahl vertan  ■  Aus Rom Werner Raith

Auf die taz-Frage nach dem Ausstieg aus der Kernenergie brummte er noch nach Tschernobyl „schließlich haben wir Kommunisten doch schon vor zehn Jahren die Entscheidung zugunsten der AKWs mitgetragen, das kann man nicht einfach rückgängig machen„; zur näheren Präzisierung der vom PCI den anderen großen Parteien (Christdemokraten und Sozialisten) vorgeschlagenen „Programmregierung“ fiel ihm nur ein, daß „man doch das Programm nicht vorab festlegen könne, weil man dann keinen Verhandlungsspielraum hat„; und auf die Frage, ob es denn gar nichts gebe, was die PCI als unverzichtbare Forderung ansehe, erklärte er nach längerem Nachdenken: „Ich denke, wir würden z.B. nicht zulassen, daß in Italien der Faschismus wieder eingeführt wird.“

Leichter, einen Pudding an die Wand zu nageln als aus Achille Occhetto eine klare Aussage herauszubringen - doch genau dieser Achille Occhetto soll als neuer Hoffnungsträger den müden und schwer angeschlagenen PCI wiederbeleben, straffen, zu neuem Glanz führen. „Neu“ ist der Dr. phil. Occhetto trotz seiner erst 52 Jahre keineswegs, und unverbraucht auch nicht. Occhetto ist ein Mann des Apparats, seit seiner Jugend Parteikader und schließlich 1986 „einziger Stellvertreter des Generalsekretärs“ der Partei. Eine Stellung, die nun quasi automatisch zur Nachfolge des aus Gesundheits- und Niederlagegründen zurückgetretenen Alessandro Natta, 70, führt.

Auf den profillosen Natta folgt damit der noch blassere Occhetto: bezeichnend für den derzeitigen Zustand einer Partei, die weder die Gründe für ihre einstige Stärke - bis zu 35 Prozent - noch die seitherigen Wahldebakel (seit 1980 minus 8 Prozent) zu analysieren oder gar in neue politische Ansätze umzufunktionieren vermag. Längst ist die Parteibasis ausgefranst, über ein Viertel der einst fast zwei Millionen Mitglieder hat den PCI seit 1980 verlassen, und die früher trotz mancher internen Spannungen nach außen immer kompakt aufgetretenen Führungsorgane - Sekretariat, Direktorium, Zentralkomitee - führen der Öffentlichkeit mitunter geradezu lächerliche Flügelkämpfe und eitle Einzelaktionen vor. Längst auch haben sich wie in den anderen Parteien „Strömungen“ gebildet, die sich jeweils um einzelne Führungsfiguren scharen und bei Wahlen und Postenbesetzungen ihre Leute durchzusetzen suchen. Und längst auch haben PCI -Repräsentanten dort, wo sie öffentliche Ämter bekamen, ihre Unschuld verloren: mehr als drei Dutzend kommunistische Stadträte, Kommunaldezernenten oder ehemalige Bürgermeister warten derzeit auf ihre Prozesse wegen Vorteilsnahme und Korruption. Das ist zwar noch wenig, gemessen an den Hunderten von Anklagen gegen Kollegen aus anderen Parteien, doch schon viel zu viel für eine Partei, die noch bis Mitte der 80er Jahre den Wahlslogan „Partei der sauberen Hände“ auf ihre Plakate malte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der PCI bereits gründlich gewandelt: aus einer Partei, die ihre Antriebe aus ihrer Zeit als Opposition bezog, noch mit klaren Programmpunkten antrat und diese soweit irgendmöglich auch zu realisieren versuchte, war nun ein Club von regierungsvernarrten Mini -Herrschern geworden. Man suchte auf allen Wegen Eintritt in die nationale Regierung und war bereit, allen geheiligten Prinzipien der Arbeiterbewegung und der einst so hochgehaltenen Humanität abzuschwören.

Natürlich ist der Abstieg der noch immer mitgliederstärksten Partei des Landes nicht nur die Konsequenz des Regierenwollens um jeden Preis - der PCI hat schlicht seine Basis verloren. Die einst eng neben ihm stehenden Gewerkschaften stecken in einer tiefen Krise, weil sich ihr „Subjekt“, die Arbeiterschaft, in seiner Zusammensetzung rapide gewandelt hat, ohne daß die Gewerkschafts-Bosse die nun bestimmenden Schichten der Facharbeiter und Technologen zu integrieren vermochten. Der Rücktritt Alessandro Nattas hätte zweifellos eine Chance zur wirkungsvollen Erneuerung geboten. Dazu wäre freilich ein Vorsitzender vonnöten, der entweder unbelastet ist vom knochenbrechenden Ritual der PCI-Bürokratie, oder dem man weitblickende Entwürfe, Utopien und mitreißende Zukunftsplanung zutrauen könnte. Doch im tief zerstrittenen Zentralkomitee könnten solche Personen auf keine Mehrheit hoffen.

Jemanden von außen zu holen, lassen die vielen Nachrücker nicht zu, die längst in den Startlöchern für neue parteiinterne Karrieren kauern, und von den charismatischen Persönlichkeiten ist dem PCI nur noch der 73jährige Pietro Ingrao geblieben, der als einziger im gesamten Apparat denkerische Unabhängigkeit bewahrt hat. Doch er ist als „Linker“ abgestempelt und daher gut zwei Dritteln seiner Direktoriumsgenossen suspekt - den Gewerkschaften um den ehemaligen CGIL-Vorsiteznden Luciano Lama, weil er seit Jahren Umweltschutz vor Arbeitsplatzsicherung stellt, ebenso wie den fanatisch auf eine Allianz mit den Sozialisten hoffenden „Miglioristen“ um Giorgio Napolitano, weil er Craxi für einen „machtbesessenen Büttel der Mächtigen“ hält; doch auch der moskautreue Flügel um Armando Cossutta kann ihn nicht leiden - ihm gehen Ingraos „Perestroika„ -Forderungen für die eigene Partei viel zu weit.

So spähen viele PCI-Mitglieder und PCI-freundliche Journalisten denn auch schon nach möglichen „starken Leuten“ hinter oder nach Occhetto. Doch auch hier sieht die Bilanz mager aus: entweder handelt es sich bei den neuen „Starken“

-wie beim nun als „zweiten Mann“ eingeschätzten Massimo d'Alema (38) - um Leute ausschließlich des Apparats, ohne politischen Ideenreichtum, oder sie sind - wie der stellvertretende Direktor der Parteizeitung L'Unita, Fabio Mussi, 40, - schon durch eine Reihe politischer Mißerfolge belastet. Und Frauen haben im PCI genau wie in allen anderen Parteien sowieso keine Führungschancen.

Einen guten Start jedenfalls hat sich Occhetto selbst vermasselt. Statt der angeschlagenen Partei zunächst eine offene Diskussion zur Identitätsfindung zu ermöglichen und sich aufgrund eines präzisen Programms zum Sekretär wählen zu lassen, forcierte er seine Wahl - angeblich um ein „Vakuum zu vermeiden“, das zur Spaltung führen könne. Tatsächlich werden ihm seine Führungsgenossen diesen Schnellstart bei erster Gelegenheit heimzahlen. Und das ist genau der für den Herbst vorgesehene Programmkongreß.