Rechtsruck nach Özal-Attentat

Entgegen ersten Erwartungen wurde bei den Vorstandswahlen der türkischen „Mutterlandspartei“ der Einfluß des extrem rechten Flügels nicht zurückgedrängt / Liberale Kandidaten durchgefallen  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

„Auch wenn der Feind des Türkentums und des Islams dein Vater ist, sollst Du ihn töten!“ Laute Rufe eines Delegierten auf dem Parteikongreß der regierenden Mutterlandspartei, zwei Tage nach dem Attentat auf den türkischen Premier Turgut Özal. Die Erwartungen in den türkischen Medien, daß nach dem Mordversuch eines faschistischen Attentäters an Özal der Einfluß des extrem rechten Flügels in der Partei zurückgedrängt würde, haben sich nicht erfüllt.

Prominente liberale Kandidaten für den Parteivorstand, wie der Innenminister Mustafa Kalemli und der Bauminister Safa Giray wurden nicht wiedergewählt, obwohl sie vom Premier persönlich auf sicheren Listenplätzen plaziert worden waren. Die sogenannten Liberalen in der Partei erlitten eine große Niederlage, während die „heilige Allianz“ von islamischen Fundamentalisten und ehemaligen Anhängern des Faschisten Türkes nunmehr die Mehrheit im höchsten Organ der Partei stellen wird. Die „heilige Allianz“ stellt 35 von 50 Parteivorstandsmitgliedern. „Sieg der heiligen Allianz“ war gleichlautende Schlagzeile in nahezu allen großen Tageszeitungen des Landes.

Unterdessen werden die Ermittlungen wegen des Attentats fortgesetzt. Nach Auskunft des Staatsanwaltes ist der verletzte Attentäter Kartal Demirag bei vollem Bewußtsein und bereut die Tat nicht. Die größte türkische Tageszeitung 'Hürriyet‘ berichtet unter Berufung auf ermittelnde Staatsanwälte, daß der Attentäter gestanden habe, nicht alleine gehandelt zu haben. In einem Interview mit dem türkischen Fernsehen benannte Premier Özal zwei potentielle Täterkreise: Die Mafia der Zigarettenschmuggler, die unter seiner Regierungszeit zur Strecke gebracht worden sei, und Personen, die „nicht wollen, daß sich unsere Beziehungen zu Griechenland verbessern“.

Nachdem Oppositionspolitiker in unmittelbarem Anschluß des Anschlags den Terrorakt verurteilt hatten, werden zunehmend die Sicherheitskräfte Zielscheibe der Kritik. Der Attentäter konnte nur zwei Schüsse auf Özal abfeuern. Anschließend hatten die Leibwächter von Özal und anwesende Polizisten wild um sich geschossen und Dutzende von Anwesenden angeschossen. „Nur dem Zufall ist es zu verdanken, daß niemand starb. Die Sicherheitskräfte sind ungebildet und untauglich“, erklärte der Generalsekretär der sozialdemokratischen Volkspartei Saglar.