Wer und was funkt rund um Hamburg?

Seit Beginn dieses Jahres drängen sich auf Hamburgs Ätherwellen vier lokale Privatradios / Vor allem die gemeinnützigen Sender kämpfen ums Überleben / Neben dem Norddeutschen Rundfunk hat scheinbar höchstens einer Platz  ■  Aus Hamburg Axel Kintzinger

Wer in Hamburg derzeit irgendein Anliegen öffentlich machen möchte, bekommt leicht das Gefühl, im Mittelpunkt hanseatischen Interesses zu stehen. Ob einem Sozialhilfeprojekt die ABM-Stellen gestrichen werden, eine Umweltschutzgruppe sich gegen das Fällen von Bäumen wehrt oder drittklassige Rathauspolitiker ihren Senf zu den kleinen und großen Problemen der Stadt geben wollen - stets sehen sie sich von mindestens vier Rundfunkmikrophonen umgeben. Denn: Hamburg hat neben dem großen Norddeutschen Rundfunk mit seinen drei Programmen seit Beginn dieses Jahres insgesamt vier lokale Privatradios. Und nicht nur das. Von Norden strahlt mit „Radio Schleswig-Holstein“ (RSH) einer der ältesten und größten Kommerzsender ins Stadtgebiet, und von Süden schallt aus Niedersachsen das Programm von „Radio ffn“. Da wird es eng im Luftraum, und Radioapparate müssen schon eine gute Trennschärfe aufweisen, um sich noch gut verkaufen zu lassen.

Wie aber verkaufen sich die Hamburger Sender? Unterschiedlich gut. Zu messen ist das in erster Linie an den ermittelten Einschaltquoten. Allerdings scheint sich mit Radio Hamburg (hinter ihm steht ein Verlegerkonsortium, in dem vor allem Gruner und Jahr und Springer dominieren) im Stadtgebiet lediglich ein privater Sender durchgesetzt zu haben. Mit 23 Prozent der potentiellen Hörer, so haben die Meinungsforschungsinstitute Infratest und Getas in einer Umfrage bei annähernd 5.000 Norddeutschen festgestellt, erreicht Radio Hamburg fast 300.000 Zuhörer, im Umland der Hansestadt soll es noch eine weitere Viertelmillion sein. Das ist eine Größe, die sonst nur noch von RSH, ffn und dem NDR übertroffen wird. Allerdings wurde nicht danach gefragt, wie lange die Hörer bei diesem Sender verweilen. Der neben „Radio Hamburg“ zweite Kommerzsender schneidet schon erheblich schlechter ab. „Radio 107“, hinter dem Bertelsmann und einige lokale Anbieter wie das Veranstaltungsmagazin „Szene Hamburg“ oder der Hifi-Großhändler Schaulandt stehen, kann nach einem Jahr Sendezeit lediglich sechs Prozent der Hörer für sich verbuchen. Und die Gemeinnützigen „Radio Korah“ (Kommunales Radio in Hamburg) und „OK Radio“ liegen laut Umfrage bei nur zwei Prozent.

Seit Beginn dieses Jahres rund um die Uhr auf Sendung, hätten viele den Gemeinnützigen ein besseres Ergebnis gewünscht. „Korah“ etwa nimmt seine Auflage, als Stadtteilradio auch aus den sieben Hamburger Bezirken zu berichten, sehr ernst - täglich drei Stunden schicken sie ihre Sendung „Bezirksradio“ über den Äther. Allerdings beging diese Radiostation, hinter der verschiedene Umweltverbände und Stadtteilgruppen stehen, zu Beginn einen unverzeihlichen Fehler. Aus der Erkenntnis, daß es in Hamburg bereits genug Pop-Sender gebe, orientierten sie ihre „Musikfarbe“, wie die Zusammenstellung der Klangkulisse im neuen Radiodeutsch heißt, an Hörern über 40 - und das bei einem Themenspektrum der Wortbeiträge, das dem der taz nicht unähnlich ist. Wer „Korah“ richtig hören will, muß sich manchmal Zeit nehmen können - Zeit für einstündige Dritte -Welt-Sendungen und für Features über Musik aus anderen Kontinenten, die in den Plattenläden nicht zu finden ist. Mit Karsten-Uwe Pieper hatten sich die Alternativ-Funker dabei einen Chefredakteur geholt, der aus seiner 17jährigen Erfahrung beim NDR für die nötige Professionalität sorgt. Die nötigen Werbeeinnahmen blieben bei „Korah“ bislang jedoch aus, und die entsprechenden Gerüchte über das Aus des Senders setzen ein.

Ein konkretes Aus, zumindest vorübergehend, steht dem zweiten gemeinnützigen Sender, „OK Radio“ bevor. An ihm sind über eine Medienwerkstatt der DGB und, ähnlich wie bei „Korah“, diverse Gruppen und der millionenschwere Erbe Frank Otto aus dem gleichnamigen Versandhaus beteiligt. Der Kapitalgesellschaft von „OK Radio“ steht ein Mann vor, der als Herausgeber des Termin-Kalenders „Oxmox“ schon früher negative Schlagzeilen produzierte. Klaus Schulz, der sich gern damit brüstet, einmal mit „Ton Steine Scherben“ in Verbindung gestanden zu haben, ist bei „Oxmox“ und nun auch bei „OK Radio“ ein Patriarch im schlechtesten Sinn: Er heuert und feuert Mitarbeiter nach eigenem Gusto, obwohl ihm dies als Financier nach Satzung von „OK“ und nach Rundfunkgesetzt nicht zusteht - für Personalfragen sind lediglich die Anbietergruppen zuständig. „OK“, das sich als „Rocksender“ versteht, pfeift auf Tarifverträge, Betriebsratswahlen und die mit der Lizenzvergabe verbundene Verpflichtung, Stadtteilradio zu machen. Obwohl die Wortbeiträge im Vergleich zu Privatsendern wie „Radio Hamburg“ oder „107“ (über zwei Minuten geht in der Regel nichts) länger sind, gleicht „OK“ eher den reinen Kommerzsendern. Nach etlichen, von Schulz verfügten Entlassungen steht „OK“ eine Reihe von Arbeitsgerichtsprozessen ins Haus, und das Lizenzvergabegremium HAM (Hamburgische Anstalt für neue Medien) will dem Treiben von Schulz auch nicht länger zusehen. Nach mehreren Ermahnungen droht nun der Entzug der Lizenz, falls sich bis Ende Juni nichts Grundlegendes ändert.

Aber gleich, wie viele der Hamburger Privatsender überleben, sie alle haben die Rundfunklandschaft in der Hansestadt erheblich verändert. Hofberichterstattung, wie man sie unter dem Monopol des NDR erleiden mußte, ist bei keinem von ihnen anzutreffen. Auch „Radio Hamburg“ und „107“ nehmen sich gegenüber Regierenden und Opposition Töne heraus, auf die man öffentlich-rechtlich wohl noch lange warten muß. „Hier passiert doch nichts, was neu ist“, meinte etwa ein „Radio Hamburg„-Redakteur auf dem letzten FDP -Parteitag, verabschiedete sich, ohne einen Original-Ton aufgenommen zu haben und kündigte Kollegen wie Politikern an, sich zu einer nächtlichen Demonstration nach St. Pauli zu begeben, wo die „Szene“ gegen einen Kulturtempel im Kiez protestiert - „das ist ein Thema.“