Skandal-Bürgermeister bleibt immun

Aachener Staatsanwaltschaft muß Beleidigungsverfahren gegen einen CDU-Multifunktionär und Unternehmer einstellen / Gerüchte um Privatinteressen des Bürgermeisters und Speditionsunternehmers beim Bau eines Containerbahnhofes bleiben bestehen  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Die Staatsanwaltschaft Aachen muß ihr Strafverfahren gegen den nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsabgeordneten und Bürgermeister Werner Schumacher (56) wegen Beleidigung von Ratsmitgliedern der Grünen in der Eifelgemeinde Kall einstellen, nachdem die Immunität des mächtigen CDU-Multi -Funktionärs aus der Nordeifel nach einem einstimmigen Beschluß des Düsseldorfer Landtags nicht aufgehoben worden ist.

Ende vergangenen Jahres wollten es die Kaller Grünen genau wissen. Seit Wochen hielten sich in der 10.000-Einwohner -Gemeinde hartnäckig die Gerüchte, Bürgermeister Schumacher habe sich in der Vergangenheit so vehement für den Bau des heftig umstrittenen Container-Bahnhofs in Kall eingesetzt, um mit seinem Speditionsunternehmen die lukrativen Transporte zur nahegelegenen Kreismülldeponie in Mechernich absahnen zu können. Die zweiköpfige Fraktion der Grünen bat Schumacher während einer offiziellen Ratssitzung im Rahmen einer Anfrage „dringend, zu diesen Behauptungen umgehend Stellung zu nehmen, damit das Amt des Bürgermeisters keinen Schaden nimmt“.

Für Schumacher ging diese „an Niedertracht kaum zu überbietende“ Anfrage entschieden zu weit. Ohne zur Sache selbst zu kommen, griff er den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Ulf Haesen, frontal an, weil er mit diesem parlamentarischen Schritt „die Ehre und das Ansehen des Rats herabgemindert“, gegen geltendes Recht und Gesetz verstoßen habe. Solche „Rufmörder und Ehrabschneider hat diese Gemeinde, hat dieser Rat nicht verdient“, rief Schumacher erkennbar aufgeregt - dem Fraktionschef der Grünen zu.

Die Grünen in Kall verfügen nach eigenen Angaben über „erstaunliches Material in Hülle und Fülle, das zeigt, mit welcher Großgrundbesitzer-Mentalität Schumacher seine Macht mißbraucht“. Als die kleine Eifelgemeinde in der Vergangenheit wegen eines von offizieller Seite heruntergespielten Öl-Skandals in ihrem Industriegebiet in die Schlagzeilen geriet, tauchte der Name des Bürgermeisters ebenso auf wie bei merkwürdigen Bauvoranfragen im Gemeinderat. Zuletzt stand offensichtlich nicht einmal mehr die geschlossene CDU-Fraktion im Gemeinderat von Kall hinter Schumacher, der zugleich auch im Kreis Euskirchen CDU -Parteichef und Fraktionsvorsitzender ist. Als der Bürgermeister „mit power“ (Haesen) den Bauantrag für einen Supermarkt mitten im Industriegebiet, gleich neben seiner Spedition, durch den Gemeinderat peitschen wollte, wurde er mit 17 zu 16 Stimmen abgeschmettert. Anfang dieses Jahres leitete die Staatsanwaltschaft Aachen ein Strafermittlungsverfahren wegen der Beleidigung von Ratsmitgliedern der Grünen ein. Diese hatten Strafanzeige erstattet, nachdem der Bürgermeister eine Zurücknahme seiner beleidigenden Vorwürfe entschieden abgelehnt hatte. Schließlich habe er, argumentierte Schumacher spitzfindig, „den Zwischenruf 'Rufmörder‘ und 'Ehrabschneider'“ als eine Privatmeinung und nicht als offizielle Meinung des Bürgermeisters geäußert. Tatsächlich aber finden sich sämtliche Formulierungen des Bürgermeisters bereits in einem vorbereiteten Redemanuskript, das er zur Beantwortung der Grünen-Anfrage wortgetreu vorlas. Dennoch konnte sich Schumacher im Düsseldorfer Landtag auf die vielbeschworene „Gemeinsamkeit der Demokraten“ verlassen, die die Aufhebung seiner Abgeordneten-Immunität einstimmig ablehnten. Die Grünen sind im nordrhein-westfälischen Landesparlament nicht vertreten.