Keine Kohle für Krakeeler

Zum Halbfinale der Fußball-EM präsentierte sich Hamburg prominenten Gästen mit Senatsgeldern als angenehme Örtlichkeit / Für die Betreuung der weniger betuchten Fans gab's ein riesen Polizeiaufgebot  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

„Willkommen zum großen Get-together“, lautete der Wahlspruch der Elbmetropole, mit dem eine handverlesene Schar von 800 auswärtigen und ortsansässigen Prominenten, Pressefritzen, erfolgreichen SportlerInnen und DFB-Funktionären in die noble Hamburger Einkaufspassage „Hamburger Hof“ geladen worden war. Vierundzwanzig Stunden vor dem Halbfinalspiel der Europameisterschaft BRD - Niederlande am Dienstag sollte sich Hamburg, so Wolfgang Sielaff vom Sportamt Hamburg, auch der anwesenden Weltöffentlichkeit als angenehme Örtlichkeit präsentieren. Mit 50.000 Mark aus dem senatsoffiziellen Standorttopf und mit Hilfe zahlreicher Sponsoren wurde das Fest ausgestattet - alle kulinarischen Gaumenfreuden gab's drinnen umsonst.

Draußen bleiben mußte die Restmeute der 61.000 Zuschauer, die beim Fußballspektakel im Hamburger Volksparkstadion live mit dabei sein wollten. Lediglich 20.000 Mark schmiß die Stadt Hamburg dem örtlichen Fangruppen-Projekt hinterher und auch das erst nach halbjähriger Bettelei. Im Gegensatz zu Stuttgart und Gelsenkirchen, Städten, die ein umfangreiches Alternativprogramm für weniger solvente Fußballfans angeboten und erfolgreich durchgezogen haben, übte sich das offizielle Hamburg in schnöder Ignoranz.

Die Stadt wünscht sich zwar, so auch der vor wenigen Tagen inthronisierte Innensenator Werner Hackmann, ein fröhliches Fußballfest, offerierte aber für die „Krakeeler“ (Titulierung jugendlicher Schlachtenbummler durch einen Polizisten) großzügig 2500 Sicherheitsbeamte aus Polizei und Bundesgrenzschutz. Die Armada staatlicher Gewalt hat zudem die gesamte moderne Überwachungstechnologie in Anspruch nehmen können - das Volksparkstadion ist flächendeckend mit Videokameras bestückt worden, mit denen tobende Fußballfans sofort identifiziert werden sollten.

Peter Koch, Geschäftsführer des hanseatischen Fangruppen -Projekts, hoffte mit seinem Team, rüde Ausschreitungen rivalisierender Fangruppen mildern zu können. Die Fanbetreuer standen mit ihrem bunt bemalten Informationsbus in Hamburgs Hauptkonsummeile, der Mönckebergstraße. Handgemalte Pappschilder, auf denen Infos für Low-Budget -Unterkünfte oder Kulturangebote warben, sollten die Lücken verdecken, die kein Senatsprogramm zu füllen bereit war.

Die übliche Klientel des sozialpädagogisch arbeitenden Fangruppen-Projekts - jugendliche Outsider, Arbeitslose und Skinhead-Sympathisanten - waren am Stand nur spärlich anzutreffen. Dafür umso mehr Engländer, Iren und andere Weltenbummler, die entweder aus reiner Liebe zum Fußballsport gekommen waren oder noch schnell überzählige Tickets auf dem Schwarzmarkt verscherbeln wollten.

Bürgermeister Henning Voscherau jedenfalls scheute sich beim Senatsempfang vor der Halbfinalpartie nicht, den versammelten Delegiertenhaufen darauf hinzuweisen, daß Aggressivität in den Fußballstadien nur Symptome gesellschaftlicher Mängel sind. Offenbar paßt auch dem Bürgermeister nicht, daß Fußballstadien mittlerweile zu schwer bewachten Festungen geworden sind.