Nach Afghanistan ist Kambodscha dran

■ Zugeständnisse von China und Vietnam / Verhandlungen Ende Juli in Jakarta

Jetzt ist auch in den zweiten regionalen Konflikt Bewegung gekommen. Auf Druck der Sowjetunion beginnt Vietnam am 30. Juni den Abzug seiner Besatzungstruppen. China rückt dafür von den Roten Khmer ab, und Prinz Sihanouk wird wieder zur Zentralfigur einer Lösung.

Kambodschas alter Fuchs kann sich nach langen Jahren des Exils in China auf ein politisches Comeback vorbereiten. Prinz Sihanouk, erst König, dann Staatschef, schließlich von dem Amerikanern während des Vietnam-Krieges vertrieben, war erst vor wenigen Monaten aus der Dreierkoalition der Widerstandsgruppen ausgestiegen. Gestern erklärte er sich jetzt bereit, mit der pro-vietnamesischen Regierung in Kambodscha Verhandlungen aufzunehmen, gemeinsam mit den anderen Widerstandsgruppen. Und in Hanoi verkündete der vietnamesische Außenminister Nguyen Co Thach am Montag, Vietnam sei bereit, sich mit den kambodschanischen Widerstandsbewegungen zu direkten Gesprächen zu treffen.

Auch wenn sich die wichtigste Guerrillagruppe, die Roten Khmer, sich gegen diese Friedensgespräche sträuben sollte, werde er sich wahrscheinlich am 25.Juli in Indonesien mit Prinz Sihanouk, dem amtierenden, von Vietnam unterstützten kambodschanischen Regierungschef Hun Sen sowie den Außenministern Indonesiens und Thailands, Ali Alatas und Siddhi Sawetasila, treffen, erklärte Thach. Auch die Regierung Kambodschas hat am Samstag ihre Zustimmung zur Teilnahme an informellen Friedensverhandlungen erklärt.

Nach einem Bericht der 'Washington Post‘ vom Wochenende, wonach China dem historischen Führer der Roten Khmer, Pol Pot, Asyl anbieten will, scheinen die Weichen für eine Kombadscha-Regelung gestellt, die fast alle Beteiligten an einen Tisch bringt und die Roten Khmer zwingt, den Verhandlungsprozeß anzuerkennen. Wenn nun auch der jetzt amtierende Führer der Roten Khmer, Khieu Samphan, bei der Konferenz in Indonesien auftauchte, wären die Hürden für erfolgreiche Verhandlungen aus dem Weg geräumt. So ist es kein Wunder, wenn der sowjetische Außenminister Schewardnadse sich die Hände reibt. In dieser Frage sei eine „neue Situation“ entstanden, die recht gute Aussichten für eine Lösung eröffneten, erklärte er am Montag in einem Gespräch mit dem chinesischen Vize-Außenminister Tian -Jiangpei, der sich im Rahmen der sowjetisch-chinesischen Konsultativgruppe in Moskau aufhielt.

Die Freude ist verständlich, haben sich doch mit dem sowjetischen Truppenrückzug aus Afghanistan die Beziehungen der Sowjetunion zu China verbessert. Und damit sind die Erfolgsaussichten der im Herbst 1986 begonnenen sowjetischen Strategie des Lächelns auch gegenüber den kapitalistischen Ländern der Region gestiegen. Die Hürde der drei Bedingungen, deren Erfüllung China von der Sowjetunion fordert, ist etwas niedriger geworden. China hatte bislang den Truppenabzug aus Afghanistan, den Rückzug der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha und den Abbau der sowjetischen Mittelstreckenraketen in Mittelasien zur Vorbedingung für die sino-sowjetische Entspannung gemacht. Jetzt ist man dagegen bereit, an dem Verhandlungsprozeß über Kambodscha teilzunehmen, wenn auch zunächst nur indirekt. Erleichtert werden die Verhandlungen, weil die chinesische Regierung den von ihr unterstützten Roten Khmer in einer zukünftigen kambodschanischen Regierung keine große Rolle mehr zubilligen will, wie der frühere chinesische Außenminister Wu vor einigen Wochen in einem privaten Gespräch ausdrückte. In die gleiche Richtung zielte der Wink, den Deng Xiao Ping Anfang des Monats in Richtung Moskau gab, als er ein Treffen mit Gorbatschow vor Ende des Jahres als möglich bezeichnete. Chinas Asylangebot an Pol Pot, der im Exil dann politisch ausgeschaltet wäre, weist in die gleiche Richtung. Schließlich sind auch im US -Außenministerium die Hoffnungen gewachsen, daß China seine Haltung zu den Roten Khmer verändert hat und damit eine Verhanldungslösung erleichtern wird. Die politische Beteiligung Pol Pots an der Widerstandskoalition, unter dessen Herrschaft zwischen 1975 und 1978 ein bis zwei Millionen KambodschanerInnen ermordet wurden, war eins der Haupthindernisse für die Vietnamesen und die UdSSR, den Truppenabzug zu beschleunigen. Eine Koalitionsregierung unter Beteiligung seiner Roten Khmer erscheint nicht nur den beiden kommunistischen Mächten als unerträglich.

Auch die USA sind jetzt diplomatisch aktiv geworden: Vom 6. bis 9. Juli werden die Außenminister der sechs ASEAN-Staaten mit George Shultz zusammentreffen. Dabei wird es auch darum gehen, wie ein zukünftiges Kambodscha aussehen könnte. Prinz Sihanouk gibt klar zu erkennen, daß er eine internationale Friedenstruppe in Kambodscha für notwendig hält. Nur eine solche Truppe könne nach einem vietnamesischen Truppenabzug den Frieden garantieren - gegenüber den 40.000 Roten Khmer -Kämpfern.

Erich Rathfelder