Reform ohne Experimente

■ Bis Ende Juli soll an der FU über die Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschaften entschieden werden / Plötzlicher Trend zur Besitzstandswahrung auch bei den Rechten im Akademischen Senat

Am 29. Juni will der Akademische Senat (AS) der FU über die Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschaften abschließend beraten. Für den FU-AStA ist es ein besonderes Ärgernis, daß die vom AS eingesetzte Strukturkommission, die Empfehlungen für diesen Bereich ausgearbeitet hat, unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagte. Dies, so der AStA, entspricht „dem Demokratieverständnis an der FU“. Daß FU-Präsident Heckelmann auch weiterhin keine universitäre Diskussion wünscht, wurde am Mittwoch letzter Woche deutlich: Die Einmischung von Studenten, die mit der Fortsetzung der AS -Sitzung unter Polizeischutz endete (taz berichtete), begriff er geistesgegenwärtig als Chance, die Öffentlichkeit auch für die restlichen Beratungen auszuschließen.

Heckelmanns Angebot, der AStA könne an den weiteren Sitzungen teilnehmen, lehnt dieser ab. Eine „Statistenrolle“, so der AStA-Vorsitzende Miguel Montero, liege der Studentenvertretung nicht. Ihm erscheint es wichtiger, die Ansätze, die auf dem „unerwartet gut verlaufenen Aktionstag“ am letzten Mittwoch sichtbar wurden, zu verstärken. Hier wurde deutlich, daß den Studenten vor allem eine Verbesserung der Studienbedingungen unter den Nägeln brennt. Für Studenten wichtige Fragen wie z.B. veränderte Qualifikationsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt oder die mangelhafte Betreuung der Studenten durch die Professoren wurden von der Kommission gar nicht erst angeschnitten.

Heckelmanns Strategie, alles ohne Beteiligung der Betroffenen zu managen, stößt aber auch in seiner eigenen politischen Seilschaft zunehmend auf Widerstand. So wurde die Kommissionsvorlage in der letzten AS-Sitzung kurzerhand vom Tisch gewischt. Als neue Geschäftsgrundlage dient nun ein Papier der Professoren Engelhardt und Weinrich, Mitglieder der rechten Fraktion im AS. Tendenz: Besitzstandswahrung und keine Experimente mit der knappen politischen Mehrheit der Konservativen.

Inhaltlich orientiert sich das Papier weitgehend am Ist -Zustand. Lediglich der Fachbereich Sozialwissenschaften, in dem unter anderem die beiden psychologischen Institute wiedervereinigt werden sollen, sowie ein Fachbereich Philosophie und Kulturwissenschaften sollen neu geschaffen werden. Auch die vor allem vom Lateinamerika-Institut (LAI) befürchtete Auflösung ihres politisch links und wissenschaftlich interdisziplinär orientierten Instituts ist nicht mehr vorgesehen. So ganz trauen die StudentInnen und die Mehrheit der MitarbeiterInnen des LAI dem Frieden jedoch nicht. In einer Resolution der studentischen Vollversammlung wird der AS aufgefordert, das LAI zu erhalten. Die Vorwürfe der Unwissenschaftlichkeit und der Ineffizienz werden zurückgewiesen.

Die Diskussion um die Neuordnung der Fachbereiche kann sich leicht als eine Diskussion am falschen Ort erweisen. Beschließen kann der AS in dieser Frage sowieso nichts. Über die „Errichtung, Änderung und Aufhebung“ von Fachbereichen entscheide nämlich - laut Berliner Hochschulgesetz - allein das Kuratorium. Wissenschaftssenator Turner, der diesem Gremium vorsteht, habe nach Auskunft seiner Pressestelle zwar seine eigene Meinung, werde diese jedoch erst „nach dem Beschlußverfahren an der FU kundtun“. So lange beobachte der Senator alles mit „größter Sorgfalt“. Die entscheidenden Gespräche werden im Hauptausschuß des Kuratoriums stattfinden - im September, wenn die meisten Studenten Urlaub machen oder jobben.

thol