Türkischer Journalist verhaftet

Nachrichtenredakteur einer angesehenen Zeitung veröffentlichte Aussagen des Özal-Attentäters / Schon früher fiel Tusalp durch hartnäckige Recherchen und Berichte über die Folterpraxis den Behörden auf  ■  Aus Ankara Ömer Erzeren

Der Nachrichtenredakteur der angesehenen großen türkischen Tageszeitung 'Cumhuriyet‘, Erbil Tusalp, ist Mittwoch Mittag durch Zivilpolizisten in den Redaktionsräumen der Zeitung in Ankara verhaftet worden. Die Redaktionsräume der Zeitung wurden von Zivilpolizisten durchsucht. Der Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht Ankara, der den Haftbefehl ausstellte, gab als Grund der Verhaftung den am Mittwoch veröffentlichten Artikel von Tusalp an. In dem Artikel wurden die Aussagen des Özal-Attentäters vor der Polizei dokumentiert: Das Psychogramm eines faschistischen Gewalttäters. Tusalp drohen nun acht Jahre Haft wegen Veröffentlichung geheimer Staatsdokumente.

Nach dem Militärputsch 1980 war Tusalp einer der mutigsten Journalisten, der stets Menschenrechtsverletzungen des Regimes attackiert hat. Mehrfach wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt. Er veröffentlichte nach dem Putsch Bücher, die bereits heute zu den Klassikern der politischen Literatur zum Militärregime zählen: „Tausend Menschen“, „Tausend Dokumente“, „Tausend Zeugen“, „Fordert Demokratie“ und „Das Septemberreich“ (am 12.September 1980 erfolgte der Coup d'Etat). Trotz Repression, Verhaftung und steter Vefolgung durch das Regime sammelte Tusalp im Zuge zäher Recherchen sämtliche Dokumente, mit denen sich das Terrorregime selbst entblößte.

Beispielhaft ist eine Urteilsbegründung des Militärgerichts Ordu: „Folter wird zum Zwecke der Wahrheitsfindung bei Angeklagten durchgeführt. Macht der Angeklagte Falschaussagen, wird die Folter gesteigert werden. Da auch die Angeklagten um diesen Umstand wissen, ist der logische Schluß zu ziehen, daß Gefolterte die Wahrheit sagen.“

Das Buch „Entstehung und Aufstieg des Septemberreiches“, das April dieses Jahres erschien und auf Anhieb die Bestsellerlisten anführte, ist die bislang umfassendste Dokumentation der Hunderten, die vom Regime durch Folter ermordet wurden und der Tausenden Verkrüppelten. Den 450 -seitigen Horrorband, der wahrscheinlich auch Grund der jetzigen Festnahme ist, widmete er seiner kleinen Tochter Ekin. „Liebe Ekin. Du wurdest geboren in den Jahren des Grauens. Sie wollten, daß du in einer Welt der Lüge aufwächst. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Ich will, daß du ohne Lüge lebst.“ - „Du wirst sehen, sie werden mich ins Gefängnis werfen“, erzählte Tusalp mir vor wenigen Tagen, „aber die Zeit wird kommen, wo ich ein weiteres Buch werde schreiben können: Der Niedergang des Septemberreiches.“