Putzfrauen auf Staatstreue zwangsbefragt

■ In der Bremen-Norder Reinigungsfirma Gust müssen Reinigungskräfte vorsorglich über Staatstreue, DDR-Kontakte und Familienangehörige auf sieben Seiten Auskunft geben, bevor sie eine Putzstelle bekommen / Datenschützer: Praxis ist klar rechtswidrig

Ob Sie Sozialdemokratin sind oder parteilos; ob mit Ihnen noch Ihre Tochter Karoline und ihr Verlobter Fritz die Wohnung teilen - und wo der Fritz vor einigen Jahren noch gewohnt hat; welche Adresse genau Ihre Tante Martha und Onkel Gustav im Erzgebirge/DDR haben, wo Sie jüngst die Silberhochzeit mitfeierten - über all das und noch sehr viel mehr müssen Sie detailliert Auskunft geben, wenn Sie bei der Bremer Firma Bernhard Gust, Gebäudereinigung, Mitglied in der Putzkolonne werden wollen. Denn Firmenchef Bernhard Gust macht seine Sache gründlich. Sieben Seiten lang ist der Fragebogen des Bundeswirtschafts-Ministeriums, den die Gust'schen Reinigungskräfte ausfüllen, bevor sie in Bremen -Norder Firmen wischen, saugen und scheuern dürfen. Sieben Seiten Fragen

Eigentlich ist der Bogen bundesweit dafür bestimmt, die „Sicherheitsinteressen“ von Firmen zu schützen, in denen Staatsgeheimnisse, Rüstung, militärische Strategien oder geheime Elektronik produziert oder verwaltet werden. Nur ArbeitnehmerInnen, die im engeren Sicherheitsbereich solcher Firmen arbeiten, so lautet ausdrücklich die zugehörige Anweisung aus dem Hause des Bundeswirtschafts-Ministers, können verpflichtet werden, die sieben Seiten Fragen zu beantworten und sich anschließend von den SpezialistInnen des Verfasssungsschutzes auf Staatstreue durchleuchten zu lassen.

In Bremen-Nord arbeiten einige der Reinigungsfrauen der Firma Gust - unter anderem - auch bei der Lürssen-Werft, die Schnellboote für Bundeswehr, Bundesgrenzschutz und Zoll produziert. Gegenüber dem Radio-Bremen-Mitarbeiter Reinhard Sablotny hatte Datensammler Gust eingeräumt, den Fragebogen routinemäßig von allen Reini

gungskräften ausfüllen zu lassen - aber natürlich nicht unter Zwang. Wenn allerdings eine Frau befürchten muß, den Arbeitsplatz nicht zu bekommen, weil sie sich weigert, 'freiwilig‘ auszufüllen, „kommt das quasi einer unzulässigen Zwangsdaten-Erhebung gleich“, wertete Dr. Alfred Büllesbach, bremischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, gegenüber der taz.

Die Praxis, vorsorglich von allen Reinigungskräften die Sicherheits-Überprüfungs-Daten zu erheben, ist klar rechtswidrig. Nach arbeitsgerichtlicher Rechtssprechung und der Wertung der bremischen Datenschutzbehörde müssen sich die zu erhebenden Daten konkret auf den für die BewerberInnen vorgesehenen Arbeitsplatz beziehen. Gebäudereiniger Gust schießt noch weit über die Einstellungspraxis etwa des Haushalts- und Rüstungskonzerns Krupp Atlas Elektronik hinaus, wo nur ein enger Breich in Produktion und Verwaltung als „sicherheitsrelevant“ eingestuft ist. Für die normale Büroreinigung spielt nach Auskunft des Pressesprechers Udo Brandes für Krupp eine Überprüfung keine Rolle: „Verschlußsachen liegen nach Dienstschluß nicht auf den Schreibtischen rum, sondern in Schränken und Tresoren!“ „Keine Auskunft“

Datensammler Gust will gegenüber JournalistInnen „nach dem ganzen Rummel“ jetzt gar keine Aukünfte über die Fragebogen -Hürden geben, die es in seiner Reinigungsfirma für Bewerberinnen zu nehmen gilt: „Ich sage nichts, ich spreche auch erst mit dem Anwalt“, kündigte er gegenüber der taz an. Bis jetzt, so hatte der Radio-Journalist vom Firmenchef Gust noch erfahren, seien für den Putzdienst in der Lürssen-Werft von all den bogenerfaßten Reinigungskräften tatsächlich erst zwei der Überprüfungsprozedur durch den Ver

fasssungsschutz unterzogen worden - für zwei weitere sei das Verfahren wegen Urlaubsver tretungen geplant. Den Rest der Bögen nimmt Gust vorsorglich zu seinen Personalunterlagen.

Das allerdings macht die Sache nicht besser. „Völlig unzulässig“, so Datenschützer Bülles

bach, „ist das Erheben und Sammeln von Daten, ohne daß ein konkreter Zweck vorliegt.“ Im geheimen Produktions- und Verwaltungsbereich geht es vor allem um die Abwehr von Sabotage und Industrie-Spionage. Daß da keine Unterschiede zwischen DirektorInnen und Putzfrauen gemacht

werden, findet Datenschützer Büllesbach in Ordnung: „Man weiß ja nie, wo eine sogenannte fremde Macht einschleust.“

Für den Dienst auf der bewußten Werft, das regeln übereinstimmend die Vorschriften des Bundeswirtschafts -Ministers und das Datenschutz-Recht, muß vor

dem Staatstreue-Test differenziert werden, wer wo arbeitet. Büllesbach: „Man kann unmöglich eine ganze Putzkolonne auf 'streng geheim‘ überprüfen lassen. Das nach Arbeitsplätzen auseinanderzuhalten ist eine kleine Organisationsaufgabe, die leistbar ist.“ Susanne Paa