Skandal um Münchner „Neue Heimat„-Tochter

Schädigte Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Deutsches Heim (DH) 300 Bauherrn um Millionenbeträge? / Bayerische Grüne machen Skandal öffentlich / Staatsanwaltschaft ermittelt wg. Verdachts der Untreue  ■  Aus München Luitgard Koch

Hat jetzt auch Bayern seinen eigenen „Neue-Heimat-Skandal“? Unterlagen, die der Landtagsfraktion der bayerischen Grünen in die Hände fielen deuten ihrer Meinung nach daraufhin. Inzwischen ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige „Neue Heimat„-Tochter „Deutsches Heim“ (DH) bzw. deren Ex-Geschäftsführer Hartmut Sauer (46) sowie den ehemaligen Oberbauleiter Gerhard Nuffer (46) wegen Verdachts der Untreue. Die damalige DH soll zu Beginn der 80er Jahre rund 300 Bauherren um mindestens zwölf Millionen Mark gebracht haben. Dies zumindest geht aus von der DH selbst in Auftrag gegebenen Gutachten hervor, die von DH-Anwalt Horst Müller und dem Münchner „Planungsbüro für Ingenieur- und Tiefbau“ (PIT) ausgearbeitet wurden. Sie wurden erstellt, nachdem das Unternehmen in der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft „Oberbayerische Heimstätte“ einen neuen Hauptgesellschafter bekam, der wiederum rund um München Grundstücke im Wert von über 100 Millionen Mark besitzt. Mit diesen Gutachten wollte die „Oberbayerische Heimstätte“ einen internen Hausputz vornehmen, denn inzwischen klagten bereits einige Bauherren auf Schadensersatz.

Was dabei zutage gefördert wurde, war wenig erfreulich. Als „erschreckend“ bezeichnete Anwalt Müller die Ergebnisse seines hausinternen Revisionsberichts. Bauvorhaben seien zu teuer vergeben worden, erheblich günstigere Angebote hätte man den Bauherrn verschwiegen. Berücksichtigt worden seien vor allem Unternehmen, die den Herren Nuffer und Sauer „persönlich verbunden“ waren, etwa solche, die auch auf der Privatbaustelle von Sauer arbeiteten. Dafür hätten die beiden Herren auch Provisionen eingeschoben: So berichteten Handwerker aus Erding über „Zahlungen“ an Herrn Sauer, die zum Teil mittelbar über verbilligte Arbeiten an seinen Privatbaustellen in München und am Schliersee gemacht wurden. Desweiteren wurden regelmäßig überdurchschnittlich lange Bauzeiten mit den Unternehmen vereinbart, so etwa bei dem Bauvorhaben „005“. 18 Monate wurden veranschlagt, obwohl doch zwölf Monate Bauzeit vollkommen ausgereicht hätten. Hinzu kam, daß fast alle Bauvorhaben nicht einwandfrei durchgeführt worden seien und Abnahmen der Arbeiten selten erfolgten.

Ebenso niederschmetternd wie der Anwaltsbericht, der 179 Eigentumswohnungen, 107 Reihenhäuser, 24 Doppelhaushälften, zwei Läden und eine Tiefgarage untersuchte, war das „PIT„ -Gutachten. Dort wurde unter anderem festgestellt, daß die Münchner Baufirma Josef Riepl bei zwei Eigentumswohnungen im Münchner Vorort Eichenau, peinlich genau 677.379 Mark und 79 Pfennig berechnet haben soll, ohne jemals irgendwelche Arbeiten ausgeführt zu haben.

Doch obwohl selbst Landtags-Vizepräsident Siegfried Möslein dem grünen Landtagsabgeordneten Hartmut Bäumer auf eine Anfrage mitteilte, „es ergeben sich mögliche Straftaten, die zum Teil in die 70er Jahre zurückgehen oder im Jahr 1984 liegen“, passierte nichts. Der Filz zwischen Politik und Bauwirtschaft verhinderte anscheinend das Eingreifen der Justiz. Unterlagen zeigen, daß Ministerpräsident Strauß wie auch sein Adlatus in der Staatskanzlei Stoiber sowie Innenminister Lang längst Bescheid gewußt haben sollen.

Wer jedoch nach der Veröffentlichung des internen Revisionsberichts im grünen Pressespiegel prompt reagierte, war das DH. Mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Grünen vor dem Münchner Landgericht versuchte die Wohnungsbaugesellschaft ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen. Um die Affäre aus der Welt zu schaffen, distanzierte sich ihr Hausgutachter Müller mit einer eidesstattlichen Versicherung von seinem eigenem Gutachten. Doch das Münchner Landgericht ließ sich davon nicht beeindrucken und erklärte, seine „eidesstattliche Versicherung“ sei in mehreren Punkten eindeutig falsch und gab wiederum den Grünen recht.

In der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) München kam es am Mittwoch jedoch zu einem Kompromiß. Zwar verbot das Gericht den Grünen unter Androhung von 500.000 Mark Ordnungsgeld weiterhin zu behaupten, das „Deutsche Heim prellte Hunderte von Anlegern um Millionen“. In dem Wort „prellen“ sah das Gericht ein Synonym für strafrechtlich relevantes Handeln. Der Vorwurf jedoch, daß durch die DH „Schädigungen“ verursacht worden seien, wurde vom Gericht eindeutig bestätigt. Das Zitat aus dem grünen 'Pressespiegel‘ „die durch diese Unregelmäßigkeiten von der DH verursachten Schädigungen belaufen sich allein bei den von Rechtsanwalt Müller überprüften Projekten aus den Jahren 80 bis 84 auf schätzungsweise 15 Millionen Mark“ blieb unwidersprochen.