Q U E R S P A L T E Haltet aus!

■ 40 Jahre Berlin-Blockade

Sie dürfen nicht mehr schweigen: Die Alliierten sind jetzt gefordert. Die Blockadepolitik des Magistrats schnürt Menschen dieser Stadt die Luft ab. Eingezwängt zwischen Mauern und Stacheldraht, durch die kein Tor mehr führt, muß die dichtgedrängte Menge von Blockade-Berlinern auf dem Luftweg versorgt werden. Stündlich erwartet man in der freien Zone am Potsdamer Platz Übergriffe und Provokationen der Blockademacht. Die Ungewißheit der nächsten Tage ist quälend. Es ist alles drin, orakeln die Ureinwohner des Tummelplatzes der vier Großmächte: Krieg und Frieden, Glück und Leid, Freiheit und Sklaverei.

Mit ängstlichen Augen verfolgen die Berliner alle Regungen der Hauptstädte des Westens. Noch wissen sie, daß an der Standhaftigkeit der Engländer nicht zu zweifeln ist. Aber werden sie dem wachsenden Druck der publizistischen Sprachrohre der Blockademacht noch lange widerstehen können? Täglich erhalten die Schutzmächte Protestnoten der Eingeschlossenen, doch schon wiegelt Washington ab: „England kann nicht gezwungen werden, mit Rußland über Deutschland zu verhandeln.“ Kapitulation kommt nicht in Frage.

In diesen Tagen bewahrheitet sich wieder, daß die Berliner sich an vieles gewöhnen können, auch an das Leben in einer belagerten Festung. Romantische Kerzenbeleuchtung ersetzt im freien Dreieck den elektrischen Strom aus den senatskontrollierten Kraftwerken. Private Brunnen werden wieder modern. Noch bleiben Fluchtbewegungen aus. Aber wie lange noch? Die Einheit Berlins wird sich nicht mehr retten lassen. Auch wenn sich England zu einer Luftbrücke entschließen sollte - zurück bleibt eine in zwei Lager zerrissene Stadt. Bürger, schaut auf diese Stadt!

In Solidarität mit den Eingeschlossenen im Lenne-Dreieck, Alexander Smoltczyk