Hör-Funken

■ Mordnilapsuspalindrom / Großdeutsches Wunschkonzert

Mordnilapsuspalindrom. „Ich habe Johann Nestroys Zivilisationsgroteske vom Häupting Abendwind oder dem greulichen Festmahl bis auf die Knöchelchen abgenagt, die meine Knöchelchen sind, denn die reale Menschenfresserei (Anthropophagismus) ist eine vom Standpunkt des Menschen auf sich selbst bezogene Art des Verzehrs, die im Mund, also mit der Zunge oder Sprache beginnt, im Zwerchfell sich umstülpt und an den Extremitäten endet, also ein palindromitischer Vorgang der Einverleibung und Entäußerung, kurzum ein Text, der mit sich hadert, nicht metaphysisch, sondern tatsächlich, also vom Anfang, der schon Ende ist, über ein dubioses Scharnier zu einem Ende, das schon im Anfang war, das Wort. An sich ein verzweifelnder Vorgang der Rücksicht auf der und auf die Zeitachse, die ja nur in einer Richtung läuft, eine entsetzliche Geschichte mit Südseezauber im Abendwind. Wer im Kessel sitzt, kennt das Scharnier. Noch hängt die Syntax in Fasern dran. Das sind die Palindrome, an denen sich Sprecher noch einmal selber aus dem Schlamassel ziehen.“ So der denkende Dichter Oskar Pastior über seine gedachte Dichtung am Sonnabend, 2100 - 2140 auf NDR 3

Großdeutsches Wunschkonzert. „Daß man sehr wohl Krieg führen und seine Pflicht tun kann, ohne den Kopf hängen zu lassen und den Humor und die gute Laune zu verlieren“ , wollte Medienexperte Dr. Goebbels mit dem so überaus beliebten „Wunschkonzert für die Wehrmacht“ zeigen. Mit guter Laune ans tägliche Mordhandwerk: Nach Auskunft des SS -Reichssicherheitsdienstes im April 1940 war das Wunschkonzert so erfolgreich, „in Tausenden das Erlebnis der Volksgemeinschaft wachzurufen“. Der Medienexperte von einst hat mit seiner Strategie von Humor und guter Laune wahrlich viele Nachfolger gefunden, die Zwangshumorwellen sind fest in ihrer Hand. Lediglich der Reimzwang wird heute nicht mehr so perfekt beherrscht wie in der Absage des Wehrmacht -Wunschkonzerts: „Das Wunschkonzert der Wehrmacht geht zu Ende, die Front reicht ihrer Heimat jetzt die Hände, die Heimat aber reicht der Front die Hand. Wir sagen gute Nacht

-auf Wiederhören, wenn wir beim anderen Male wiederkehren. Auf Wiedersehen sagt das Vaterland.“ In der sechsten Folge der Serie über die ersten hundert Jahre des Radios diesmal also Goebbels epochaler Beitrag: Sonntag, 2100 - 2200

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