Wie China sich vom Schmutz der Viererbande befreite

■ Über das Verbot von Werken der vier in Ungnade gefallenen Politiker; über die 'Amnestierung‘ der von ihnen zuvor verbotenen Literatur, über den langen Weg der Zensur - und wie er von manchen sehr verkürzt wurde

Michael Schoenhals

Am 6.Oktober 1976 gelang es einer Koalition aus Militärs, hohen Kadern des Sicherheitsdienstes und kommunistischen Veteranen in China, die Witwe Mao Tsetungs und einige ihrer engsten Vertrauen von der Bühne chinesischer Politik zu entfernen. Zur Zeit ihrer Verhaftung waren die vier - Jiang Qing, Zhang Chunquao, Yao Wenyuan und Wang Hongwen Mitglieder des Politbüros der Kommunistischen Partei. Am 18.Oktober informierte diese Körperschaft die Allgemeinheit über die Verhaftungen und gab gleichzeitig Richtlinien heraus, die den Umgang mit jenen Büchern, Zeitschriften, Filmen etc. regeln sollten, „die hausieren gehen mit den trüben Machwerken“ der Amtsenthobenen. Diese Direktive nannte sich Zentralkomitee-Zirkular 18/1976.

Soweit bekannt ist, enthielt das Zirkular 18/1976 nicht etwa spezifische Titel von Werken der'Bande‘, sondern lediglich allgemeine und umfassende Hinweise. Es wurde landesweit sofort zu dem programmatischen Dokument für die Unterdrückung von Publikationen, an denen man Mitglieder der 'Bande‘ auf die eine oder andere Weise beteiligt glaubte oder in ihnen erwähnt sah. Einer Quelle zufolge wurde dort folgendes ausgeführt:

„Distribution, Verkauf und Versand von Zeitungen und Zeitschriften in chinesischer - wie auch in jeder anderen Sprache, ebenso importierte Zeitungen und Zeitschriften, die fotografische und zeichnerische Darstellungen der Bande oder Werke, Artikel, Reden und Zitate von revisionistischen Äußerungen oder Werbung für die Äußerungen der Viererbande enthalten, ist einzustellen.

Einzelhandelsstellen sollen angewiesen werden, Zeitungssammelbände und anderes Material sowie alle Publikationen, die ihnen bereits zugesandt wurden, nicht weiterzuvertreiben. Getrennte Listen für alle Zeitungs- und Zeitschriften-Typen sind aufzustellen und die zuständigen Institutionen über die Titel zu unterrichten, die nicht länger vertrieben oder versandt, sondern auf angemessene Weise beseitigt werden sollen. Jede Publikation, die wegen ihres problematischen Inhalts nicht mehr zum Verkauf geeignet ist, kann als finanzieller Verlust gemeldet werden. Die Vorführung von Filmen, Dokumentationen und Videoaufnahmen, in denen die Viererbande erscheint, ist einzustellen.“

Zunächst schienen die staatlichen Behörden anzunehmen, daß die praktische Aufgabe des Umgangs mit Schriften, an denen die Viererbande beteiligt war, nach einer damals schon zwölf Jahre alten Regelung zur „Beseitigung von nicht länger zum Verkauf geeigneter Bücher“ organisiert werden könne. Recht bald wurde jedoch klar, daß bestimmte neue Prozeduren eingeführt werden mußten, besonders im Hinblick auf die finanzielle Entschädigung für Verlage und Buchhandlungen; das lag, wie aus einer amtlichen Quelle hervorgeht, zu Teilen an „der relativ großen Anzahl von Büchern und den hohen Verlusten, die damit verbunden waren“.

Ende 1976 und Anfang 1977 wurden jede Menge Leitfäden, Richtlinien und Hinweise von Partei- und Regierungsstellen herausgebracht, die den Umgang mit Werken der Viererbande betrafen - und im zweiten Halbjahr 1977 folgten weitere Direktiven. Bei diesem zweiten Schub ging es um das neue Problem, wie mit Literatur verfahren werden solle, in der Deng Xiaoping angegriffen wurde. Die neuen Direktiven waren zumeist ein Beiprodukt von Entscheidungen des dritten Plenums des Zehnten Zentralkomitees der KPCh im Juli 1977, auf dem der frühere stellvertretende Vorsitzende Deng Xiaoping in entscheidende Positionen in Partei und Regierung zurückgeholt worden war. Im April 1976 war er nach Unruhen auf dem Tiananmen-Platz auf Antrag von Mao Tsetung aller Ämter enthoben und in den Monaten nach seiner Entlassung zum Objekt fein orchestrierter Attacken in den Medien geworden. Jetzt wurde behauptet, daß diese Angriffe von der Viererbande gelenkt worden waren, solange sie an der Macht gewesen seien, und nach ihrer Verhaftung von Restgruppen „rechter“ und „revisionistischer“ Kräfte.

1978 war die organisierte Aktion des „Umgangs“ mit Schriften der vier einigermaßen abgeschlossen und wurde abgelöst von einer Aktion der „Befreiung“ einer großen Zahl von Werken, die während der Kulturrevolution unterdrückt worden waren. Ein chinesischer Beobachter berichtete darüber:

„Als 1978 der Frühling vorbei war und der Sommer anfing, geschah etwas Seltsames: In den normalerweise leer und verlassen dastehenden Buchhandlungen herrschte plötzlich jene Geschäftigkeit, die sonst nur in Delikatessen- und Modeläden anzutreffen war und das Geschäft mit Büchern wurde zum blühendsten auf dem Markt. Lange Kundenschlangen zogen sich von den Läden in die Straßen, über Kreuzungen hinweg bis in weit entfernte Straßen hinein. Berühmte literarische Meisterwerke, von den Geschichten aus Ländern unter östlichem Zhou, Das Lied der Jugend und Die Elenden bis Anna Karenina waren wieder frei und fanden ihre Leser.“

Die Zensur der Post-Mao-Ära wurde so teilweise zu einer Aufhebung der Zensur aus der Kulturrevolution. Im April 1978 erklärte die Regierung, die Aktion, den Massen die Bücher der fünfziger und sechziger Jahre wieder zugänglich zu machen, die während der Kulturrevolution verboten waren, sei nichts anderes als die Ausweitung und Intensivierung der Kritik an der Viererbande. Im Prinzip, so der chinesische Staatsrat, soll dem allgemeinen Publikum der Zugang zu allen Werken aus der Zeit vor der Kulturrevolution wieder offen sein; ausgenommen von dieser Amnestie seien nur die Schriften die „Liu Shaoqi, Lin Biao und die konterrevolutionäre Clique der Viererbande verherrlichen“. Listen verbotener Bücher

Nach Empfang des Zentralkomitee-Zirkular 18/1976 begannen die chinesischen Verlage mit der Zusammenstellung von Buchlisten; sie enthielten Titel, die man selbst publiziert hatte oder publizieren wollte und deren Inhalte in irgendeiner Weise mit der Viererbande im Zusammenhang standen. Die Entscheidungsgewalt darüber, welche Bücher auf diese Listen kamen, scheint vor allem in den Händen der jeweiligen Parteikomitees der Velagshäuser gelegen zu haben. Die zentral ausgegebenen Hinweise betonten lediglich in ganz unspezifischer Weise, daß die politische Aufgabe der Kontrolle und der „Säuberung vom Schmutz“ sehr ernst genommen zu werden habe. Die Velagslisten von „Büchern, deren Inhalt mit der Viererbande zusammenhängt und die daher nicht länger verkauft, sondern beseitigt werden sollen“, wurden an alle Vertriebsstellen und Großhandlungen der Provinzen geschickt. Diese schickten sie dann an alle kleinen Buchgeschäfte und Wiederverkaufsstellen auf städtischer und bezirklicher Ebene weiter. Da nie eine dieser Listen öffentlich zugänglich gemacht worden ist, können wir nicht genau wissen, welche Bücher im einzelnen dort aufgeführt sind. Jedoch listet die Chinesische Nationalbibliographie von 1976 (ersch. 1980) insgesamt 235 Titel als „repräsentativ“ für Ansichten und Politik von Jiiang Qing et al.. Im Vorwort ist zu lesen, daß man „im allgemeinen entschieden hat, eine gewisse Anzahl von Büchern betreffs der Viererbande als historisches Material unter besonderen, kritisch formulierten Schlagwörtern zu berücksichtigen, um die Publikationssituation von 1976 so vollständig wie möglich darzustellen“.

Wir müssen annehmen, daß die meisten - wenn vielleicht auch nicht alle - dieser Titel zu dem Ende 1976 Verbotenen gehörten. Zwei dieser kritisch formulierten Schlagwörter lauten: „reaktionäre politische Programme, ausgeheckt von der Viererbande“, darunter sind 22 Bücher versammelt -, und „die sogenannte Gegenoffensive der Viererbande gegen die rechte Abweichung, richtige Urteile zu revidieren“ hierunter fallen 183 Werke. Unter solchen Schlagwörtern finden sich folgende Schriften, die vom Volks-Verlag in Shandong, Jiang Quings und Zhang Chunqiaos Geburtsprovinz, publiziert worden sind:

-Eklektizismus ist Revisionismus (Feb.76)

-Weiterführung und Vertiefung der Großen-Proletarischen -Kulturrevolution (Feb.76)

-Vom bourgeoisen Demokraten zum kapitalistischen Straßenfeger (Feb.76)

-Urteile revidieren macht das Volk nicht glücklich (März 76)

-Ein allgemeines Programm zur Wiederherstelllung des Kapitalismus (April 76)

-Widersetze dich rechten Urteilsrevisionen und fördere die industrielle Produktion (April 76)

-Die Massen sind die wirklichen Helden (Mai 76)

-Die Große Kulturrevolution scheint auf immer (Mai 76)

-Führe die Revolution weiter in Literatur und Kunst Bekämpfe die rechte Abweichung der Revision richtiger Urteile (Juni 76)

-Decke auf, daß die Bourgeoisie in der KP ist (Juni 76)

-Die Bourgeoisie ist in der KP (August 76)

Nach Erhalt der Listen durch die Großhandlungen und Verteiler war vorgesehen, daß die Wiederverkaufsstellen die dort aufgeführten Bücher aus den Regalen räumen. Regierungshinweise betonen, daß man von den verantwortlichen Kadern auf jeder Ebene erwartete, diese Aktionen zu überwachen und ihre ordentliche Erledigung sicherzustellen.

Im historischen Kontext gesehen war die Erstellung von Listen verbotener Bücher ein Schritt in Richtung der Abschaffung von weit offenkundigeren und schwerwiegenderen Zensurmaßnahmen, die in China damals herrschten. Zur Zeit der Kulturrevolution war die Zahl der verbotenen Bücher so ungeheuer hoch gewesen, daß der Staat sich außerstande gesehen hatte, Listen verbotener Bücher herauszugeben; stattdessen hatte man Listen der erlaubten Literatur publiziert. Die einfache Tatsache, daß man diesmal die Liste der zu verbietenden Bücher als weniger lang und daher machbarer einschätzte als die der erlaubten, markiert hier in der Tat die politische Wende zur Liberalisierung. Großreinemachen

Nach sorgfältiger Auflistung des Inventars schnitten die Buchhändler zunächst säuberlich die eingebundene Druckerlaubnis aus jedem ausgesonderten Buch und schickten sie bündelweise an die Großhandlungen und Vertriebsstellen auf Provinzebene; dazugelegt wurde ein Begleitschreiben, in dem penibel aufgeführt wurde, nach welcher Regelung, welchem Index zufolge und aus welchen Gründen die Bücher aus den Regalen entfernt wurden. Egal, wo ein Buch veröffentlicht worden war, mußten die Imprimatur-Seiten von jedem kleinen Buchladen zu dem zentralen Buchgeschäft Neues-China in seiner Provinz geschickt werden und nicht etwa direkt an die Verlagshäuser.

Wenn die Neues-China Hauptgeschäftsstellen große Mengen solcher Bündel von Imprimaturseiten angesammelt hatten, mußten sie ihrerseits über den Fortschritt der Säuberung Berichte und Statistiken verfassen, und zwar für die Verlags - und Kulturabteilungen ihrer Provinzregierung. Das nationale Vertriebszentrum von Neues-China wandte sich dabei direkt an Peking, und zwar an die staatliche Verlagsverwaltung, die dem Staatsrat untersteht.

Ursprünglich sollte die ganze Säuberungsaktion in den Buchhandlungen bis zum 30.Juni 1978 abgeschlossen sein. Aber schon bald stellte sich heraus, daß dieser Termin unrealistisch war. In einem Rundschreiben vom 22.März 1978 erklärte die staatliche Verlagsverwaltung, daß die Aktion um sechs Monate, nämlich bis zum 31.Dezember verlängert worden sei, und zwar wegen der großen Zahl säuberungswürdiger Bücher, die noch nach dem Oktober 1976, jedoch vor dem dritten Plenum des Zehnten Zentralkomitees erschienen waren. Dies spielte natürlich auf jene Bücher an, die Deng Xiaoping angegriffen hatte und bereits vor seiner Rückkehr zur Macht erschienen waren.

Verlage wurden angewiesen, ihre Buchlager - und natürlich auch Fahnen, halbfertige und noch ungebundene Bücher - mehr oder weniger auf die gleiche Art zu säubern, wie es die Buchhandlungen vorexerziert hatten. Lagerlisten, Berichte und Imprimaturseiten wurden von Zentral-Verlagen direkt an die staatliche Verlagsverwaltung geschickt; andere Verlage, die lediglich einzelnen Ministerien unterstanden, hatten an das zuständige Ministerium rückzumelden, und die Provinz -Verlage an die Publikations- und Kulturabteilungen der Provinzregierung.

Der ursprüngliche Endtermin dieser Säuberungsaktion in den Verlagen sollte der 31.Dezember 1977 sein. Aus ähnlichen Gründen wie schon bei den Buchhandlungen wurde dieser Termin auch hier um sechs Monate verschoben, bis zum 30.Juni 1978. Zensur, theoretisch...

Regierungsauflagen zufolge hatte man zwei Möglichkeiten, sich von den Werken der Viererbande zu befreien. Die eine war direkte Vernichtung, die andere war das, was „technische Behandlung“ benannt wurde, das heißt, eine Art Korrektur durch Streichungen etc. Die grundlegenden Prinzipien, nach denen bei der Beseitigung der Bücher vorgegangen werden sollte, waren folgende: Buchhändler und Verleger wurden angewiesen, eine kleinere Anzahl von jedem Werk „zum Zweck interner Kritik“ zurückzuhalten und dann „die Bücher möglichst nicht zu verbrennen, sondern, sofern möglich, an Papiermühlen zum Einstampfen abzugeben“. Kosten, die den Verlagen und Buchhandlungen durch „technische Bearbeitung“ entstanden, sollten im gleichen Rechnungsjahr unter der Rubrik „Kosten außerhalb des Handels“ aufgeführt werden. Um die Verlage und Buchhandlungen für den Verlust von Einkommen und die durch die Säuberung entstandenen Kosten zu entschädigen, erlaubte das Finanzministerium 1977 die Etablierung eines besonderen Fonds außerhalb des Budgets. Diese Funds sollten von den Finanzabteilungen der Provinzverwaltungen kontrolliert werden, zusammen mit den Kulturabteilungen; keinesfalls durften sie von Organen unterhalb dieser Ebene - auch nicht teilweise - verwaltet werden. ... und praktisch

Die Säuberung von Büchern vor ihrem Weiterverkauf sollte gewiß das Entfernen ganzer Seiten oder die Einschwärzung von Absätzen, Sätzen oder Wörtern bedeutet haben. Aber Ende 1976 und Anfang 1977 wurde deutlich, daß die örtlichen Verleger und Buchhändler den Hinweisen ihrer oberen Verwaltungsorgane nicht mehr so recht folgten. Zur Illustration braucht man sich nur die Säuberung - im Winter 1976 - eines Buches über den Schriftseller Lu Xun vom Anfang des Jahrhunderts anzuschauen. Der Titel des Buches lautet: Analyse der Werke von Lu Xun. Band 2. Es wurde im September gedruckt und sollte im Oktober 76 erscheinen. Es ist ein schmales Bändchen, das harmlos genug wirkt und aus einer Sammlung kritischer Analysen zu Lu Xuns Essays in den zwanziger und dreißiger Jahren besteht. Es weist jedoch ein entscheidenes Merkmal auf, das es im Winter 76 nicht mehr „vollständig zur Veröffentlichung geeignet“ erscheinen ließ: Es enthielt einige negative Verweise auf Deng Xiaoping. Vor den Unruhen vom Tiananmen-Platz im April 1976 hatten die chinesischen Medien Deng nicht namentlich kritisiert, sondern lediglich anonym auf ihn als den „unverbesserlichen, größten kapitalistischen Straßenfeger in der Partei“ hingewiesen. (Üblicherweise ging die Erlaubnis an die Medien, jemanden namentlich oder umschreibend persönlich anzugreifen, von Organen der höheren Parteiebene aus.) Nach den Unruhen wurde Deng von den Medien namentlich und oft in einem völlig absurden Kontext kritisert. Sehr wahrscheinlich ist eine zentrale Direktive hierzu im Frühjahr 1976 in der Parteispitze ausgegeben worden. Als aber die Analyse der Werke von Lu Xun veröffentlicht werden sollte, war die offizielle Erlaubnis, Deng zu kritisieren, vermutlich schon wieder zurückgenommen. Noch war er zwar nicht an die Macht zurückgekehrt, aber Kritik an ihm wurde von immer größeren Kreisen als eines der Verbrechen der Viererbande identifiziert. Und so stellte sich dem Volks-Verlag Shanghai die Aufgabe, ein Buch , das geschrieben und gedruckt worden war zur Blütezeit der Viererbande, nunmehr für die Veröffentlichung nach ihrem Fall selbst zu zensurieren. Die Angriffe auf Deng Xiaoping hatten aus dem bereits gedruckten Buch vor dem Verkauf zu verschwinden.

Es wäre naiv anzunehmen, daßsich der Volks-Verlag Shanghai mit großer Entscheidenheit dieser Aufgabe gewidmet hätte, zumal wir wissen, wie groß der Anhang Zhang Chunqiaos und Wang Hongwens in Shanghaier Verlegerkreisen gewesen ist. Sie waren keineswegs begeistert. Und sie entschieden sich bei ihrem Buch für eine sehr sanfte Technik aus dem Arsenal der „technischen Behandlung“. Den Analysen der Werke von Lu Xun, Band 2 wurde folgender Errata-Zettel beigegeben:

„Lieber Leser!

Dieses Buch ist im September gesetzt und gedruckt worden. Nach neuerer Überprüfung sind an einigen Passagen Veränderungen notwendig geworden, die wir im weiteren aufführen:

1) Seite 13, Zeile 12; Seite 71, Zeile 14; Seite 121, Zeile 16: ersetze „intensivieren“ durch „weiterführen“.

2) Seite 23, Zeile 16: streiche Zeichen 4 bis 6.

3) Seite 27, Zeile 6: streiche Zeichen 20 bis 22.

4) Seite 31, Zeile 21: streiche Zeichen 2 bis 4

5) Seite 32, Zeile 1: streiche Zeichen 2 bis 18.

6) Seite 52, Zeile 2: streiche Zeichen 20 bis 22.

7) Seite 113, Zeile 11 von Zeichen 8 bis Zeile 14, Zeichen 8: streiche insgesamt 74 Zeichen.

8) Seite 121: Streiche von Zeichen 22 in Zeile 17 bis Zeichen 2 in Zeile 18. Im Dezember 1976

Dies bedeutete natürlich nichts anderes als eine Aufforderung an den Leser, sein eigener Zensor zu sein. Was man statt “ intensivieren“ nunmehr nur „weiterführen“ sollte, war die Kritik an Deng Xiaoping und seinen Versuchen, die Politik der Kulturrevolution zu revidieren. Die jeweils sechs Zeichen, die aus Seite 23, 27, 31 und 52 gestrichen werden sollten, waren ganz einfach die Schriftzeichen für den Namen Deng Xiaoping: Deng war hier wie üblich in die Aufzählung von Liu Shaoqi und Lin Biao eingereiht worden als ein weiterer Bösewicht in der Geschichte der Linienkämpfe innerhalb der KPCh. Hiermit wurde er also wieder herausgenommen, und Liu und Lin waren wieder alleine. Die 17 Schriftzeichen, die am Anfang der Seite 32 gestrichen werden sollten, enthielten die Aufforderung: „Vertiefe die Kritik an Deng Xiaopings konterrevolutionärer, revisionistischer Linie!“ Die lange Passage auf Seite 113 („Streiche insgesamt 74 Zeichen“) beinhaltete ein theoretisches Argument, das inzwischen als Heräsie galt. Undsoweiter.

Das Beispiel zeigt, in welchem Maße man auf niedrigerer Ebene die Zensur-Direktiven der Oberen zu Makulatur machen konnte - und es tat. Dieser Streich des Volks-Verlags Shanghai war durchaus keine buchstäbliche Weigerung, zentrale Direktiven auszuführen: Er zeigte lediglich, wie flexibel man solche Vorgaben interpretieren konnte.

Es gab übrigens auch Fälle, in denen mit dem Ruf nach Korrektur und Säuberung von der Viererbande noch flexibler umgangen wurde als hier. Beispielsweise wurde einem Band mit Libretti von Revolutionsliedern, die Deng Xiaoping denunzieren und die Kulturrevolution preisen - herausgegeben im Frühling 1976, Provinz Guangxi - von der lokalen Propaganda-Abteilung lediglich ein Zettel beigegeben, der die Leser daran erinnert, daß der politische Inhalt des Buches inzwischen überholt sei.

Wissenschaftliche Ausgabe für interne Kritik

Die landesweite Attacke auf die Viererbande 1976 und 77 zeitigte auch ein recht paradoxes Ergebnis. Während die hier beschriebenen Zensurmaßnahmen dazu führten, daß ihre Werke aus der allgemeinen Zirkulation verschwanden, wurde gleichzeitig das kontrollierte Erscheinen und die Neuherausgabe verschiedener Ausgewählter Werke von Jiang Qing, Zhang Chungiao und Yao Wenyuan notwendig. Damit Kader und Parteimitglieder das „wahre Antlitz“ von Jiang und Zhang sehen konnten, publizierte die Akademie der Wissenschaften im November 76 und Januar 77 eine ausgezeichnete ungesäuberte, chronologisch geordnete und unkommentierte Sammlung von Schriften Jiangs und Zhangs aus den dreißiger und vierziger Jahren. Die Gesammelten Materialien der Viererbande, Band 1 und 2 - insgesamt 686 Seiten enthalten nicht weniger als 101 Essays, Kurzgeschichten und Gedichte von Jiang Qing. Und obwohl die Gesammelten Materialien natürlich nicht zum allgemeinen Verkauf standen, sind sie doch an viele Institutionen zur „internen Kritik“ verteilt worden. Bis heute kann man sie in chinesischen Bibliotheken finden.

Quellen:

-Guanyuan Biber (Was jeder Bibliothekar wissen muß), Xining 1982

-Li Honglin, Lilun Fengbo (Theorie-Stürme), Peking 1985

-Li Zuopin Fenxi (Analyse der Werke von Lu Xun, Band 2), Shanghai 1976

-1976 Wuanguo Zongshumu (Nationalbibliographie 1976), Peking 1980

-Shehui Senhiao Xingzheng Caissu Zhidu Zhaibian (Auszüge aus: Finanzierungsregelungen für Soziales, Bildung und Verwaltung), Peking 1979

-Xuanchuan Dongtai Xuanbian 1980 (Auszüge aus: Propagandatrends 1980), Peking 1981

-Zhongyang Ribao (Zentrale Tagesnachrichten), Taibei, 10. Nov. 1976

Der Autor war als Gast Forschungsassistent für Linguistik am Centre for Chinese Studies in Berkeley, Californien. 1987 erschien sein Buch „Salvationist Socialism: Mao Zedong and the Great Leap Forward 1958„; in Kürze wird er seine Arbeit am Fairbank Centre for East Asia Research an der Harvard -Universität aufnehmen