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Nur Gedanken sind frei

Zum Paragraph 130a-Pilotverfahren gegen die taz  ■ K O M M E N T A R E

Drei Tage lang haben die Richter des Berliner Landgerichts sich mit dem neu geschaffenen Paragraphen 130a beschäftigt, bis sie schließlich aus dem Beratungszimmer kamen - mit einem Schuldspruch. Drei Tage Verhandlung, ausführliche Zeugenvernehmungen, gut begründete Beweisanträge der Verteidigung - das klingt nach sorgfältiger Prüfung, nach einem verantwortungsvoll inszenierten Einstand für den Paragraphen 130a. Tatsächlich jedoch hat der umstrittene Paragraph eine erschreckende Premiere erlebt, der aber dennoch genau die politische Intention seiner Macher trifft.

Die Berliner Richter haben als wahr unterstellt, daß die taz Bekennerschreiben veröffentlicht, um eine Diskussion über militante Aktionen in Gang zu setzen. Sie haben als wahr unterstellt, daß die taz dabei nicht zu Straftaten anleiten wollte, sondern ein journalistisches Ziel verfolgte. Sie glaubten sogar, daß ein solcher Bekennerbrief nicht zur Nachahmung der beschriebenen Aktion animiert. Dennoch haben die Richter einen Schuldspruch gefällt - einen Schuldspruch, den sie auch ohne Verhandlung hätten treffen können, weil er keine juristische Würdigung enthält, sondern allein ein politisches Votum. Die richterliche Botschaft heißt: Die Pressefreiheit hat dort ihre Grenzen, wo politische Gruppen, die aus dem Chor von Volkes Stimme herausfallen, öffentliche Beachtung befinden.

Auch den Berliner Richtern ist klar gewesen, daß es bei dem Paragraphen 130a nicht um Anleitung für irgendwelche Straftaten ging, nicht um die Anleitungen der Waschmittelindustrie zur Umweltverschmutzung oder die der Pornofabrikanten zur Vergewaltigung. Gemeint sind ausschließlich Straftaten mit politischem Hintergrund, die die Obrigkeit - welch kindliche Gespensterbeschwörung - aus der Welt zu schaffen hofft, indem sie anderen die Augen zuhält. Durch öffentliche Verbreitung nicht ein „psychisches Klima“ der Akzeptanz zu schaffen, das war das erklärte Ziel der Macher dieses „Sicherheitspraragraphen“, und das Landgericht hat diese Intention noch perfektioniert. Man darf gespannt sein, welche Kuriositätensammlungen von Bekennerschreiben, die zum „Schutz des Gemeinwohls“ demselben vorenthalten wurden, irgendwann aus den Giftschränken befreit werden. Der Schlüssel muß ja nicht immer Gorbatschow heißen.

Vera Gaserow

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