Giftmüll-Tourismus retour

■ Italien holt Wohlstandsmüll aus Afrika zurück / Heftige Abwehr in den Empfängerländern / Firma bietet Krankenhaus für Giftmüll-Lagerung

Berlin(dpa/afp/taz) - Weniger reumütig als durch massive Proteste und Drohungen verschreckt, hat sich die italienische Regierung bereiterklärt, in Nigeria und im Libanon illegal abgeladenen Giftmüll wieder abzuholen. Rom will nach Angaben aus dem Außenministerium einen Frachter nach Nigeria schicken, um rund 4.000 Tonnen Industriemüll abzutransportieren. Man hofft mit diesem Schritt, die 24köpfige Besatzung des im Hafen von Lagos von den dortigen Behörden beschlagnahmten italienischen Frachters „Piave“ freizubekommen. Das Schiff hat mit dem Transport von mehreren Ladungen Giftmüll auf eine nicht gesicherte Deponie nahe der nigerianischen Stadt Koko nichts zu tun. Nachdem die Regierung in Lagos gedroht hatte, die Verantwortlichen für den Skandal hinrichten zu lassen, ist ein italienischer Mittelsmann, der den Mülltransport organisiert hatte, (verständlicherweise) verschwunden.

Im Hafen von Beirut werden gegenwärtig Fässer mit etwa 2.500 Tonnen Giftmüll aus Italien verschifft, die vor drei Wochen nördlich der libanesischen Hauptstadt entdeckt worden waren. Was aus der giftigen Fracht werden soll, ist offenbar völlig offen. Nach Auskunft der italienischen Botschaft in Libanon sollen die Schiffe in internationalen Gewässern auf „Instruktionen warten“. Die Fässer waren über eine libanesische Scheinfirma ins Land gelangt, die dafür angeblich 500.000 Dollar kassiert hat. In den vergangenen Tagen drohte ein anonymer Anrufer mit Anschlägen gegen italienische Einrichtungen, sollten die Abfälle nicht schleunigst verschwinden. Ein italienischer Müllexperte äußerte sich nach einer Inspektion entsetzt über die Menge und den Zustand der Fässer. Er empfahl, die Erde abzutragen, wo die Fässer ohne Kontrollen nördlich von Beirut gelagert worden waren. Immerhin sei der Müll weder explosiv noch radioaktiv.

Unterdessen wehrt sich die „Dritte Welt“ immer heftiger gegen ihren Mißbrauch als Wohlstands-Mülleimer für die westlichen Industrienationen. Die Regierungen von Swasiland und Liberia haben nach eigenen Angaben mehrere Angebote ausländischer Firmen zur Lagerung von Giftmüll auf ihrem Territorium zurückgewiesen. Dem Handels-, Industrie- und Tourismusminister von Swasiland, Nkomeni Ntiwane, war ein Vorschlag unterbreitet worden, Müll aus der BRD und Italien in seinem Land zu verarbeiten und zu diesem Zweck eine Fabrik zu errichten. Als Zwischenhändler dienten sich zwei Firmen aus Sambia und Somalia an. „Swasiland wird nicht zur Abfallhalde des Drecks der Welt werden“, erklärte der Minister.

Drei Angebote zur Zwischenlagerung von Giftmüll wurden der Regierung Liberias in jüngster Zeit vorgelegt. Gesundheitsministerin Martha Sendolo Belleh erklärte gestern in der Hauptstadt Monrovia, eine der Firmen habe angeboten, im Gegenzug für eine Lagerungsgenehmigung ein Krankenhaus zu bauen und es für eine Million Dollar mit Medikamenten auszustatten. Den Namen der Firma wollte die Ministerin nicht nennen.

gero