Unerträgliches Urteil

■ Liga für Menschenrechte zum 130a-Urteil gegen die taz

Das Landgericht Berlin hat den presserechtlich Verantwortlichen der taz am 12. Juni 1988 entgegen dem erstinstanzlichen Freispruch wegen der Veröffenlichung zweier sog. „Bekennerschreiben“ zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die Liga stellt hierzu fest:

Das Urteil ist für ein Rechtssystem, das in seiner Verfassung (Art. 5 GG) die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert und jede Zensur verbietet, unerträglich.

Verantwortlich für diese erste, auf dem neuen § 130a StGB („Anleitung zu Straftaten“) beruhende Verurteilung ist primär die gegenwärtige Bundestagsmehrheit als Gesetzgeber. Diese hat durch das „Gesetz zur Bekämpfung des Terroismus“ von 1986 den Gerichten eine tatbestandlich völlig konturenlose Strafnorm an die Hand gegeben, wo die mit einer Presseveröffentlichung verfolgte Zielsetzung unbeachtlich ist und allein vom Gericht vermutete Auswirkungen auf die Bereitschaft von Personen, Straftaten zu begehen, sanktioniert werden.

Eine öffentliche Auseinandersetzung über die Anwendung von Gewalt wird so mit den Mitteln des Strafrechts verhindert. Wenn dieses Urteil Bestand hat, müssen Redakteure im Wege der Vorzensur Informationen, die für die Öffentlichkeit von Belang sein können, ganz oder teilweise unter den Tisch fallen lassen.

Das Urteil macht nach Ansicht der Liga auch deutlich, wie wichtig es für den Erhalt fundamentaler Menschenrechte ist, daß der vom Bundeskabinett geplante Zwillingsbruder des § 130a StGB, der § 130b StGB („Öffentliche Befürwortung von Straftaten), zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte und öffentlichen Protests wird.

Internationale Liga für Menschenrechte Berlin. Für den Vorstand: M. Findeisen