Iran verliert Faustpfand im Golfkrieg

Irak eroberte Majnoun-Inseln bei Basra zurück / Ein Ölfeld in der Sumpfregion sollte iranische Reparationsforderungen decken / Dritte iranische Niederlage im Golfkrieg seit Mitte April  ■  Von Beate Seel

Berlin (taz) - Zum dritten Mal seit Mitte April hat der Irak am Samstag einen Sieg an der Südfront des Golfkrieges mit dem Iran gemeldet. Wie das Oberkommando der Streitkräfte in Bagdad berichtete, haben die irakischen Soldaten die Majnoun -Inseln nahe der Hafenstadt Basra, die 1984 vom Iran besetzt worden waren, zurückerobert. Radio Teheran meldete, angesichts des massiven Angriffs hätten sich die iranischen Soldaten auf neue Verteidigungslinien zurückgezogen.

Die Majnoun-Inseln liegen in den Howeizah-Sümpfen 65 Kilometer nordöstlich der irakischen Hafenstadt Basra. Sie sind durch ein Netz von Deichen und schwimmenden Brücken miteinander verbunden. Die Eroberung des öden Geländes in einer sehr verlustreichen Schlacht mit Tausenden von Toten hatte dem Iran zu einem Faustpfand für spätere Friedensverhandlungen verholfen: Die Vorräte eines bisher nicht ausgebeuteten Ölfeldes unter den Inseln werden auf acht Milliarden Barrel geschätzt. Iran hatte damals erklärt, die Ausbeutung des Ölfeldes werde ausreichen, um die Kriegskosten und damit die Reparationsforderungen an den Irak zu decken.

In Bagdad hieß es am Samstag, mit der Offensive, die unter dem Codenamen „Gottvertrauen“ geführt worden war, sei die zweite Phase der Befreiung iranisch besetzter Gebiete eingeleitet worden. Am 18.April hatten die irakischen Verbände in ihrer ersten erfolgreichen Gegenoffensive die feindlichen Truppen aus der Halbinsel Fao im Süden des Landes vertrieben, am 25.Mai eroberten sie den Ort Schalamcheh zurück. Sollten die irakischen Verbände die Majnoun-Inseln jetzt fest in ihrer Hand haben, wären die iranischen Truppen aus dem Südirak vertrieben. Damit wäre zugleich der militärische Druck von der zweitgrößten irakischen Stadt Basra und der wich Fortsetzung auf Seite 6

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tige Verbindungsstraße in die Hauptstadt genommen. Seit Mitte Juni kommt es auch im bergigen, nordwestlichen Frontabschnitt immer wieder zu irakischen Vorstößen, bei denen nach Angaben aus Bagdad 40 Höhenzüge zurückerobert wurden. Beide Seiten halten in dem seit 1980 andauernden Golfkrieg noch gegnerische Territorien in dieser Region besetzt. Es ist nun mit weiteren irakischen Angriffen zu rechnen, um Iran vollends zu vertreiben.

Die Forderung nach einem Truppenrückzug, wie sie in einer Resolution des Weltsicherheitsrats vom Juli letzten Jahres enthalten war, hätte sich damit erledigt. Weitere Punkte in der UN-Entschließung betrafen einen sofortigen Waffenstillstand und die Einrichtung einer Kommission, die die Kriegsschuldfrage klären soll. Iran hat die Resolution bisher nicht akzeptiert. Sollten die irakischen Truppen weitere Erfolge erzielen, erhebt sich allerdings die Frage, ob sie an der Grenze halt machen werden. Die Eroberung eines iranischen Gebiets an der Nordfront wäre ein Faustpfand für den Irak im Falle von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges.

Teheran (dpa) - Nach einem Bericht von Radio Teheran sind mindestens 3.000 Dorfbewohner in Außenbezirken der Industriestadt Ahwas - 110 km östlich der Madschnun-Inseln nach einem irakischen Einsatz chemischer Kampfstoffe verletzt worden. Eine große Anzahl von Zivilisten sei ums Leben gekommen.