Isarrömer

■ Münchener Künstler in München - eine Ausstellung der Hypo-Kulturstiftung

Daß Kunstmachen auch eine Frage der Strategie ist, zeigt sich am ehesten bei den Institutionen, bei Museen, Galerien oder Zeitschriften, die zwischen Produktion und Öffentlichkeit vermitteln. Im Juniheft des Kunstmagazins art wurde München, die bislang als provinziell geltende „Kunststadt“, etwas mühsam zur „Stadt der Künstler“ hochgejubelt, in der die Szene aufblühe. Warum eine Zeitschrift so etwas macht, die dann vor allem die Galeristen vorstellt und den derzeitigen Malerfürsten Münchens, Gerhard Merz, noch einmal krönt, muß entweder einer Laune oder einer Langeweile an den nördlichen Szenen entsprungen sein. Vielleicht ging es auch nur um eine ökonomische Überlegung, nämlich die, die Sparte der Annoncen zu erweitern.

Die Münchener Szene (in art exemplarisch durch die Malgruppe WeibsBilder vorgestellt): Das ist vor allem eine Gruppe von Galeristen und Ausstellungsmachern sowie eine Gruppe von Künstlern, angeführt oder überschattet von Gerhard Merz. Eine Art Verbundsystem, dem es nun gelungen ist, in einer Ausstellung die aktuelle Kunst Münchens zu präsentieren. Sprach man früher einmal von den Isargriechen, so scheint jetzt der Trend, obgleich noch immer edel -klassizistisch abgefedert, eher in die Richtung von Isarrömern zu gehen. Besonders deutlich wird das wieder in den Installationen von Gerhard Merz, die ohne ihre Tiefe und Bedeutung heischenden italienischen Titel nicht auszukommen scheinen. Seine jetzige Installation - wie immer monochrome Bildflächen, deren eine genau in der Mitte eine Reißschiene zeigt - verkündet programmatisch „ED IO ANCHE SON ARCHITETTO“, wobei die Jahreszahl am unteren Rand zusammen mit dem Namen in lateinischen Zahlen erscheint.

Sauberkeit, Symmetrie, Schönheit, Erhabenheit und Pathos erzeugen eine anonyme, erstarrte Atmosphäre - das paßt ebenso gut in Kirchen und Banken. Vermutlich tönt deswegen Peter-Klaus Schuster vom Haus der Kunst in seinem Katalogtext von der „reinen und geistigen Kunst als der einzig wahren“ und macht aus München den Ursprungsort des wieder ersehnten Geistigen in der Kunst, das jetzt, nach der Unterbrechung durch den Faschismus, endlich auflebe.

Mit den heimischen expressiven Schmierern freilich will das Verbundsystem nichts zu tun haben. Auch das gehört zur Tradition des Hauses (der Kunst). Die jetzt von Zdenek Felix in Absprache mit dem Verbundsystem konzipierte Ausstellung in zwei Teilen will jedenfalls der Münchner Provinzialität dadurch begegnen, daß sie auf den schon in der documenta herrschenden Trend zu Rauminstallation und Skulptur setzt. Schließlich hat auch Armin Zweite vom Lenbachhaus den Schulterschluß mit der internationalen Szene durch den Ankauf von hierfür paradigmatischen Arbeiten Richard Serras versucht, was zur Folge hatte, daß die Gelder für andere Ausstellungsaktivitäten fehlten.

Felix, von art als „unbequemer Macher ohne Scheu“ bezeichnet, zeigt in den Räumen gleichzeitig eine karge und anspielungsreiche Installation des Italieners Luciano Fabro und hat mit Focus, unterstützt vom Verbundsystem, nicht viel gewagt. Die Künstler kennt man, die Ausdrucksmittel sind traditionell, die Kombination von Minimalismus und Anklagen an die Warenwelt geläufig. Wobei die einzige Legitimationsfrau, die Videokünstlerin Barbara Hammann, auch gleich den Bereich der nicht dem Kanon der traditionellen bildenden Kunst zugehörigen Mittel abdecken muß.

Nicht ganz einsichtig ist es, warum etwa die Farbmalerei von Dieter Villinger besonders aktuell oder für München spezifisch sein soll. Sie gehört zum erprobten Traditionsbestand der Moderne. Ähnliches ließe sich zu der nicht gerade einfallsreichen Gegenüberstellung von Bronzeskulpturen Hermann Kleinknechts sagen: ein meteorartig zerklüfteter Brocken in Konfrontation mit einem glatten, spitzwinkeligen Kubus. Aribert von Ostrowksi und Stephan Huber repräsentieren schon eher einen neuen Trend, ihre Arbeiten spielen ironisch mit dem Charme von Vorgefertigtem. Ihr Reiz liegt nicht im Visuellen, sondern in der Illustration eines Gedankens, natürlich „schön“ in strengen Formen und mit sparsam akzentuierender Farbe ausgeführt. Einzig die betont ungeschickten Zeichnungen von Johannes Muggentaler mit ihren hintersinnigen Texten durchbrechen die Kühle dieser Kunstwarenwelten, auch wenn sein Stoffbild dem Hang zum Dekor wieder recht nahekommt.

Der neue Geist in München strebt nach Höherem. Das fügt sich in die Räume der Hypo-Kunsthalle und in den sich mit Kunst ausstattenden Geist des Kapitals. Die „Luftschlösser der reinen und geistigen Kunst“: je zynischer oder erhabener oder leerer, desto besser eignen sie sich dafür.

Florian Rötzer

München Focus '88. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung. Erster Teil bis 24.7., zweiter Teil (mit Arbeiten von Bodo Buhl, Nikolaus Gerhart, Albert Hien, Ulrich Horndash, Nikolaus Lang, Peter Mell und Haralampi Oroschakoff) ab 5.8