„Außen hui, innen pfui“

■ BUND listet Versäumnisse des Umwelt-Musterschülers BRD auf

Berlin (taz) - Anläßlich des Treffens der EG-Staats- und Regierungschefs hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.v. (Bund) den scheidenden EG-Ratspräsidenten, Helmut Kohl, aufgefordert, endlich Akzente für mehr Umweltschutz in der EG zu setzen und vor allem längst gültige EG-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. „Wer ständig mit dem Zeigefinger auf die Sünden anderer zeigt und selbst wegen zahlreicher Verstöße gegen EG-Umweltschutzrecht vor dem europäischen Gerichtshof angeklagt wird, handelt nach dem Motto: 'Aussen hui, innen pfui'“, sagte Hubert Weinzierl, 1.Vorsitzender des BUND. Für diese Praxis nannte Weinzierl als Beispiele - die gerade durch die Katastrophen in Nord- und Ostsee neue Aktualität erhalten haben - die EG -Trinkwasser- und Oberflächengewässer-Richtlinie. Die EG -Trinkwasser-Richtlinie ist bereits seit dem 17.Juli 1982 in Kraft. Die BRD setzte erst vier Jahre später im Mai 1986 Teile davon in deutsches Recht um und läßt auch heute noch entgegen der EG-Richtlinie Ausnahmen für einige Stoffe wie z.B. Pestizide bis 1989 zu. Als Begründung dafür gibt sie an, daß es für diese Stoffe noch keine geeigneten Meßverfahren gebe. „Wir fragen uns“, sagte Weinzierl, „wie man überhaupt Stoffe, insbesondere Schädlingsbekämpfungsmittel, zur Produktion und Anwendung zulassen kann, wenn es keine geeigneten Meßverfahren für diese Stoffe im Wasser gibt.“ Ähnlich sträflich wird auch die EG-Oberflächengewässer-Richtlinie in der Bundesrepublik Deutschland gehandhabt. Obwohl sie ausdrücklich für alle Oberflächengewässer gilt, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, spart die Bundesrepublik Deutschland den Rhein mit einer spitzfindigen Begründung aus. Wegen Nichtumsetzung der EG-Vogelschutz-Richtlinie ist bereits im letzten Herbst ein Urteil gegen die BRD ergangen.

Jüngste Beispiele in der Liste der Versäumnisse und Verzögerungen - rund 20 Verfahren stehen zur Zeit an - sind die Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die auf keinen Fall mehr vorschriftsmäßig zum 2.Juli 1988 umgesetzt werden könne, und die Umsetzung der Seveso -Richtlinie in bundesdeutsches Recht. Hier verhalte sich die BRD nicht gerade mustergültig bei der Einhaltung demokratischer Spielregeln. So sei das Genehmigungsverfahren für umweltgefährdende Anlagen in der Bundesrepublik nicht einmal auf EG-Niveau. Die Bürger würden nicht vollständig über die Alarmpläne bei Unfällen und über mögliche Konsequenzen unterrichtet.

Schließlich verlangt der Bund Zugang der Öffentlichkeit zu wichtigen Akten u.a. zu den offiziellen Vollzugsmeldungen der Bundesregierung an die EG über die Umsetzung von EG -Umweltschutz-Richtlinien, wie es in einigen anderen EG -Ländern eine Selbstverständlichkeit ist. „Dadurch“, so Hubert Weinzierl, „würde auch die Arbeit der Umweltschutzverbände wesentlich erleichtert.“

geo