Hessens Schul-Politik gestoppt

Verwaltungsgerichtshof entscheidet: Eltern dürfen bei Schulwahl mitbestimmen  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Ein Kernbestandteil der Gesellschaftspolitik des CDU-Konzeptes „Hessen 2000“ habe Schiffbruch erlitten, meinte der bildungspolitische Sprecher der Grünen im hessischen Landtag, Fritz Hertle. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) hatte am vergangenen Freitag das Herzstück der hessischen Schulwendepolitik für verfassungswidrig erklärt. Dabei handelt es sich um von Kultusminister Wagner (CDU) per Verordnung eingeführte „Bestimmungen über die Eignungsfeststellung“ von Schülerinnen und Schülern. Mit dem „Verdikt von Wiesbaden“ (Hertle) wollte die CDU/FDP-Landesregierung erreichen, daß ausschließlich die LehrerInnen darüber befinden sollten, in welche weiterführenden Schulen die Kinder nach dem 4.Schuljahr zu gehen hätten. Doch die Verwaltungsrichter kamen in ihrem Urteil zu dem eindeutigen Schluß, daß das Elternwahlrecht absoluten Vorrang haben müsse. Die LehrerInnen dürften zwar Vorschläge unterbreiten, doch die „Entscheidungskompetenz“ über den weiteren schulischen Werdegang ihrer Kinder obliege einzig und alleine den Eltern. Auch die beabsichtigte Einführung einer Eignungsprüfung zum Ende des 4.Schuljahres wurde von den Richtern verworfen, denn damit würden die „Persönlichkeitsrechte der SchülerInnen beeinträchtigt“. Damit ist die sogenannte Probewoche, die am kommenden Montag in Hessen beginnen sollte und die SchülerInnen und Eltern hessenweit bereits in Angst und Schrecken versetzt hat, hinfällig geworden. In einer ersten Stellungnahme zum Urteil hat das Kultusministerium denn auch die „Probewoche“ mit den vorgesehenen umfangreichen Eignungstests ausgesetzt. Die SPD forderte Wallmann auf, Kultusminister Wagner umgehend zu entlassen. Wie der klageführende Wetzlarer Rechtsanwalt Dr. Wöller gegenüber der taz erklärte, sei mit der Entscheidung von Kassel der Beschwerde von Eltern stattgegeben worden, deren Kind - entgegen den Elternwünschen - vom „Lehrkörper“ eine „Realschuleignung“ attestiert worden sei. Die Schülerin wollte jedoch die Förderstufe einer Gesamtschule besuchen. Noch fast 100 weitere Gerichtsverfahren gegen den hessischen Kultusminister sind derzeit anhängig.