Bald Wasser aus dem Hahn

■ Die „Siemens-Siedlung“ wird an die Wasserversorgung angeschlossen

Von der Grabesstille abgesehen, deuten nur so merkwürdige Straßennahmen wie „Flurende“ oder „Straße 600“ auf die Entlegenheit der Siedlung: An der äußersten Peripherie West -Berlins, eingerahmt von ausgeschilderten Natur- und Wasserschutzgebieten, liegt die „Stadtrandsiedlung“. Sie gehört zu den Gebieten, die weder an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen sind, noch ihr Frischwasser von der Stadt beziehen. Vor Ort fällt die infrastrukturelle Autonomie höchstens durch einen Ziehbrunnen im Vorgarten auf, der an die Zeit erinnert, in der die Wasserversorgung noch mit Maloche verbunden war. Die Straßen haben weder Gullis noch Rinnsteine.

Die meisten der rund 400 BewohnerInnen der Siedlung sind froh, daß sie ihr Wasser bald von den städtischen Betrieben beziehen werden und sich nicht mehr selbst um die Entsorgung der Drainagen kümmern müssen. Im Juni hat das Spandauer Bezirksamt entschieden, die 150 Grundstücke umfassende, von der Firma Siemens in den dreißiger Jahren erschlossene Siedlung an das öffenliche Rohrnetz anzuschließen. Den Ausschlag gab die „zunehmend schlechter“ werdende Wasserqualität, wie es in einer Pressemitteilung des Bezirksamts vornehm heißt. Einige der Bewohner, die das Frischwasser per auf jedem Grundstück vorhandener elektrischer Pumpe aus 17 bis 20 Metern Tiefe hochbefördern, erinnern sich deutlicher: Das Wasser aus dem Abgrund sei schon vor einigen Jahren „so gelb, so eisenhaltig“ gewesen, daß die Frauen die Wäsche nicht mehr weiß bekommen hätten.

Wegen guter Kontakte zum Bezirksamt, berichtet der Vorsitzende der Siedler-Gesellschaft, Ulrich Dieske, konnten die Formalitäten mit den Wasserbetrieben zwecks „Anschluß“ geklärt werden. Zunächst werden nun die Privatstraßen mit den merkwürdigen Namen „umgewidmet“ - das Bezirksamt übernimmt deren Instandsetzung und die Anlage der Gullis.

Die Anschlußkosten für die einzelnen Grundstücke werden die Bewohner selbst tragen müssen. Mit mindestens 15.000 Mark sei zu rechnen, sagt Dieske, doch obwohl die meisten der „Siedler“ von ihrer Rente leben, wollen fast 90 Prozent lieber das öffentliche Wasser. Das Selbstversorgungsrelikt erinnert an den Beginn der Siedlung. Damals, erinnert sich einer, mußte man im Winter erstmal die Pumpe auftauen, wenn man Kaffee kochen wollte. „Da haben wir hier noch über'n Donnerbalken gekackt.“

Werner van Bebber