Was sind das für Richter? -betr.: "Berliner Landgericht verurteilt taz", taz vom 25.6.88

betr.: „Berliner Landgericht verurteilt taz“, taz vom 25.6.88

(...) Was sind das für Richter, wie die des Landgerichts Berlin, die die taz wegen der Veröffentlichung dieser Bekennerschreiben verurteilen, die geradezu, wie ja auch schon sinngemäß das Amtsgericht festgestellt hatte, einen Beitrag zu der so wichtigen Diskussion um die sogenannte Gewaltfrage waren.

Der § 130a in seiner jetzigen Fassung zeigt geradezu exemplarisch, wie die Herrschenden in diesem Lande - weil sie im Prinzip mit einer demokratischen und menschenrechtlichen Politik völlig am Ende sind - jede Kritik oder gar Widerstand brechen wollen. Und diese Richter des Berliner Landgerichts sind schlicht Marionetten an den kaum sichtbaren, aber um so stärkeren Fäden dieser Politik.

Und doch meine ich, und in diesem Sinne möchte ich der ganzen taz-Redaktion weiteren Mut zusprechen, daß die da oben glücklicherweise zu spät gemerkt haben, welche Folgen ihre kriminelle Politik hat. Es wird keine Ruhe mehr geben in diesem Lande, solange die obrigkeitsverordnete Zerstörung der Lebenschancen und der politischen Kultur anhält. Viel zu viele BürgerInnen sind inzwischen hellwach geworden und haben angefangen, sich zu wehren. Das Drehen an der Gewaltschraube durch die herrschende Politik und ihre Helfershelfer wird scheitern. Ich bin zutiefst überzeugt, daß der offene Diskurs über die Gewaltfrage in den neuen sozialen Bewegungen und der daraus sich ergebende wachsende gewaltfreie Widerstand einen Zustand herbeiführen, wo die oben nicht mehr können, weil die unten nicht mehr wollen. Es sei denn, sie verlören vorher die Nerven, drückten auf den roten Knopf, um das meiste zu vernichten und selbst noch für ein paar Monate in ihren „sicheren Bunkern“ dem Tod entgegenzuvegetieren.

Macht weiter so, liebe tazler, andere tun es auch, und wir werden zwar nicht siegen (Keine Macht für niemand!), aber die Chance auf eine Welt in Frieden, Gerechtigkeit und Liebe aufrechterhalten und verbessern.

Solidarische Grüße an euch, an alle, die ebenso denken und an alle, die noch zweifeln, aber beim Nachdenken ebenfalls zum radikalen gewaltfreien Mut finden.

Klaus Vack, Sensbachtal