„Gefangenengewerkschaft“ in Bayern

Die Interessenvertretung für Strafgefangene hat im Freistaat ein weites Betätigungsfeld / JVAs Straubing und Kaisheim weigerten sich, einen Aufruf zur Gründungsversammlung an Knackis weiterzugeben  ■  Aus München Luitgard Koch

„Bayern ist das Schlußlicht im Strafvollzug, deshalb ist es hier besonders wichtig, wieder eine Interessenvertretung für die Gefangenen aufzubauen“, stellte der Münchner Rechtsanwalt Axel Kampf (37) bei der Gründungsversammlung der Gefangenengewerkschaft „Solidarität“ (SOL) am vergangenen Samstag fest. In Bayern gibt es im Gegensatz zu anderen Bundesländern weder eine aktive „Knast„-Initiative noch eine Gefängniszeitung. Auch aus den Knästen habe es immer wieder geheißen, „wir brauchen ein Sprachrohr“, nachdem im September vergangenen Jahres die bundesdeutsche Gefangenengewerkschaft SOL aus finanziellen und personellen Gründen aufgeben mußte.

In den bayerischen Strafanstalten Straubing und Kaisheim wurde der Gründungsaufruf nicht an die Gefangenen weitergegeben. Regierungsrat Konopke von der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing begründete die Weigerung damit, daß der Gründungsaufruf geeignet sei, „Widersetzlichkeiten“ unter den Empfängern auszulösen. Außerdem würden die vorgesehenen Wahlen „die Anstaltsordnung erheblich stören“. Obwohl Rechtsanwalt Kampf bereits vor zwei Wochen einen Eilantrag gegen diese „Anhalteverfügung“ stellte, kam bisher keine Reaktion. Außerdem gibt es dazu bereits ein positives Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom August '86 zum damaligen Gründungsaufruf der SOL, der sich nicht wesentlich vom jetzigen unterscheidet.

Den in Bayern restriktiven und wenig liberalen Strafvollzug verdeutlichen auch die bayerischen Bemühungen, den per Verordnung vom April 87 durchgeführten Aids-Zwangstest für Gefangene auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Wer sich gegen den Zwangstest widersetzt, dessen Durchführung immer wieder von verschiedenen Anstaltsleitungen bestritten wurde, wird automatisch wie ein Infizierter behandelt. Eine Info zu Aids von der früheren SOL wurde von den Anstaltsleitungen boykottiert.

An erster Stelle der Arbeit stehen der Kampf um bessere Löhne für Inhaftierte sowie die medizinische Versorgung. Diese beiden Punkte sind den Gefangenen besonders wichtig, wie eine Umfrage vom Oktober '85 ergab. Als weiteres wichtiges Thema wurde auch die Forderung nach Haftverschonung beziehungsweise Strafaussetzung für Schwangere und Mütter von Kleinkindern in den Katalog aufgenommen. Besonders inhaftierte Frauen sollen verstärkt angesprochen werden, da bisher die Resonanz hier äußerst gering ist. „Unsere Arbeit steht und fällt mit den Finanzen“, betonte Rechtsanwalt Kampf. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 36 Mark. Doch edle Spender sind jederzeit willkommen.

Zur nächsten offenen Vorstandssitzung, zu der auch weitere Interessenten herzlich eingeladen sind, treffen sich die „SOL-Mitglieder“ am 15.Juli in der Rechtsanwaltskanzlei Kampf, Schillerstr. 14, 8 München 2.

Adresse der „SOL“ -Geschäftsstelle: Manfred Essbach, Hoppenbichlerstr. 23, 8200 Rosenheim.

Spendenkto.: Solidarität Bayern e.V. c/o RA A. Kampf, Kto.Nr. 106 124118.