Sozialdemokratische Leichenschändung

■ SPD-Studenten gründen 18 Jahre nach seiner Auflösung wieder einen SDS

Berlin (taz) - Manche Sozialdemokraten schrecken vor nichts zurück, wenn es gilt, den Einfluß der Partei auf die StudentInnen zu vergrößern. Da versuchen sie gar, eine Leiche achtzehn Jahre nach deren Beerdigung aus der Gruft zu zerren. So geschehen gestern zu Bonn, wo ein gewisser Stefan Lott sich als 1. Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) präsentierte. Der Mann piepste in die Journalisten-Mikros, junge „undogmatische SPD-Mitglieder von sechs Hochschulen der Bundesrepublik“ hätten den 1970 aufgelösten SDS gegründet.

Der Etikettenschwindel könnte immerhin als kühner Akt gewertet werden, wenn nicht die Genossen Papi und Mami dem Nachwuchs grünes Licht gegeben hätten: nach qualvollem Ringen hob der Parteivorstand im Mai diesen Jahres die 1961 dekretierte Unvereinbarkeit zwischen Mitgliedschaft im (aufgelösten) SDS und in der SPD auf. Ein Beschluß, den SDS -Veteranen und Sozialdemokraten übereinstimmend als historisches „Signal an die kritische Intelligenz“ würdigten. Flugs schritten die Studiosi zur Tat, wohlwissend, daß es zwei arbeitende Studentenverbände im sozialdemokratischen Spektrum gibt: die Juso -Hochschulgruppen und den Sozialistischen Hochschulbund (SHB). Der SHB entstand als sozialdemokratische Konkurrenz zum SDS, schwamm später der Stamokap-Linie entgegen und fiel deshalb 1972 bei der SPD in Ungnade. Sie verbot dem SHB, sich „sozialdemokratisch“ zu nennen und erzwang den heutigen Namen. Mit Gründung der Juso-Hochschulgruppen 1973 war der Trennungsstrich gezogen.

Vor dem Groll der Parteioberen ist der neue Verein gefeit: Mit dem „orthodoxen Marxismus-Verständnis“ des alten SDS habe sein Laden „nichts gemein“, betonte Stefan Lott und diente der SPD „kritische Loyalität“ an. Bei so viel Beflissenheit müßte wenigstens eine mittelmäßige Parteikarriere rausspringen. Oder, Herr Vogel?

Petra Bornhöft