Bayer bespitzelt Firmenkritiker

Bayer Leverkusen schickte Werkschutzangehörige in schulinterne Veranstaltung / „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ legt Aktennotiz vor / Informationen in „Geheimdienstmanier“ gesammelt  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Firma Bayer Leverkusen schreckt nicht davor zurück, Werkschutzangehörige als Spitzel in schulinterne Veranstaltungen zu schicken, um in „Geheimdienstmanier“ Informationen über Firmen-Kritiker zu sammeln. Diesen Vorwurf erhob gestern die „Coordination gegen Bayer -Gefahren“ und legte zum Beweis in Bonn die Kopie eines firmeninternen Werkschutzberichts vor, die den Bayer -Kritikern nach eigenen Angaben „aus Vorstandskreisen„des Chemie-Konzerns zugespielt wurde. Die vierseitige Aktennotiz vom 28. Januar berichtet über eine interne Veranstaltung des Hildener Helmholtz-Gymnasiums zum Thema „Gift in Lebensmitteln“ am Vortag, bei der Vertreter der „kritischen Bayer-Aktionäre“ geladen waren. Der Hildener Chemielehrer Walther Enßlin hatte auf dieser Veranstaltung bereits einen eifrig mitschreibenden Unbekannten zur Rede gestellt; der vermutliche Bayer-Spitzel habe sich daraufhin als zufällig vorbeigekommener „Jogger„ausgegeben.Aus der Aktennotiz geht hervor, daß die Bespitzelung von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit in Auftrag gegeben wurde und mit Billigung der Firmenleitung geschah:Auf dem Verteiler des Berichts steht Bayer-Chef Dr. Rosahl ganz obenan.

Der betroffene Lehrer Enßlin hat den Vorfall dem Regierungspräsidenten angezeigt; Enßlins Rechtsanwalt forderte gestern, dieser „bisher einmalige Eingriff in die Kultushoheit“ müsse nun das nordrheinwestfälische Kultusministerium beschäftigen.Es gehe nicht an, daß sich ein Wirtschaftsunternhemen als „Staat im Staate“ gebärde. Mit dem Fall muß sich in der kommenden Woche bereits das Oberlandesgericht Köln befassen: Die Bayer-Coordination streitet dort in zweiter Instanz mit der Firma um die Behauptung, der Chemieriese würde seine Kritiker bespitzeln.

Ein Sprecher der Firma, von Loon, behauptete auf Anfrage gestern zunächst, es sei „normalerweile ausgeschlossen“, daß der Bayer-Werkschutz in Schulen tätig würde. Zum konkreten Fall in Hilden wollte er dann keine Stellung beziehen, ohne das anrüchige Dokument gesehen zu haben.