Der Hase im Mond

■ Blattmenschen und schwimmende Vögel: Bilder der koreanischen Malerin Eun Nim Ro im Überseemuseum

Die Worpsweder Nacht als endloses schwarzes Himmelstuch mit weiß leuchtenden Tupfensternen, gegen die der halbe Mond blaß und bescheiden auftritt - so muß sie einmal der koreanischen Malerin Eun Nim Ro erschienen sein, vielleicht, als sie ihre Zeit als Barkenhoff-Stipendiatin verbrachte.

Ihre „Worpsweder Nacht“ hängt zur Zeit im Übersee-Museum, wo unter dem Titel „Blatt-Werke“ eine Ausstellung mit ihren Arbeiten arrangiert wurde.

Ein unbeschriebenes Blatt ist Eun Nim Ro in Deutschland schon lange nicht mehr, sie hat sich in den 16 Jahren, die sie in Hamburg lebt und lehrt, einen Namen als Künstlerin von Bildern machen können, die vor allem durch ihre Ruhe und Gelassenheit beeindrucken.

Sie malt immer auf Papier, auf Seidenpapier oder auf Reispapier (das aus Teilen des Maulbeerbaumes hergestellt wird), und in ihrem Land für ganz praktische Dinge herhalten muß: als Fußbodenisolation etwa, als Futterstoff oder als Kommunikationsträger. Sie besorgt sich das Papier direkt aus Korea und verwandelt es mit breitem Pinsel und Wasserfarben in Bilder, die vom Kosmos erzählen, vom Ursprung, von der Einheit zwischen Mensch und Natur. Dieses Gefühl der Verbindung, der Zusammengehörigkeit der Elemente miteinander, ist für die Malerin der entscheidene Ausgangspunkt für ihre Arbeit.

Und wo alles eins ist, ist es auch austauschbar, gehören die Vögel nicht mehr allein dem Wind und die Fische nicht nur dem Wasser: Eun Nim Ro erfindet Figuren, die die vertrauten Zugehörigkeiten verlassen, Fische, die sich in der Luft tummeln, Menschen, die sich mit Laubblättern zu „Blattmenschen“ verwandeln und Vögel, die im Meer zu schwimmen scheinen und gleichzeitig unterm blauen Himmel zwitschern.

In der Ausstellung drängen sich auf einem rund zwei mal drei Meter großen Blatt „Die Vögel“ dicht an dicht, mit blauen Köpfen, grün-blauen Flügeln, kreischenden, aufgerissenen Schnäbeln. Diese Schnäbel wiederum gleichen Fühlern, und erinnern mit ihren länglichen Leibern ebensogut an Grillen.

Die Formen, die Eun Nim Ro benutzt, sind immer einfach, die Figur auf das Charakteristische

reduziert und kraftvoll umrissen. Manchmal hat sie auch die Rückseite des Papiers bemalt, die Schatten schimmern durch, geben zusätzliche Tiefe und sind ein Stichwort mehr für die Phantasie.

Denn so phantasievoll Eun Nim Ro selbst in ihren Arbeiten erzählt, so viel Spielraum läßt sie auch den Betrachtern. Sie entführt sie in eine Welt, die poetisch erscheint und weit entfernt von all den rationalen Stolpersteinen des Alltags und der Emotionslosigkeit.

Viele ihrer Arbeiten berühren das Dunkel, tun dies bei aller Vereinfachung dicht und differenziert wie die „Zwei träumenden Blattgesichter“. In anderen aber wirkt diese Vereinfachung so simpel, daß es Mühe kostet, in ihnen mehr als eine oberflächliche Bilderbuchillustration zu sehen. „Der Hase im Mond“ ist ein Beispiel dafür, er wirkt plump und jovial und selbst wenn man weiß, daß er auf einen koreanischen Mythos hinweist - der Hase als ewiger, im Mond wohnender Erneuerer - wird er nicht gehaltvoller.

Neben den großen Formaten von mehreren Metern zeigt die Künstlerin auch ganze Serien kleinformatiger Zeichnungen und Objektkästen. Die Zeichnungen überraschen durch ihre Farbigkeit: Im Gegenstz zu der ausgewogenen Zurückhaltung oder dem Schwarz/Weiß der großen Arbeiten zeigen sie viele kleine Explosionen in Blau und Kirschrot, in Wiesengrün und Sonnengelb. und hegen damit die Erinnerung an den Charme von Kinderzeichnungen.

Das Übersee-Museum stellt die Werke Eun Nim Ros parallel zu einer Ausstellung traditioneller koreanischer Maeduk -Knüpfkunst von Hee-Jin Kim aus, um „auf einen modernen Aspekt der Kultur Koreas“ hinzuweisen.

Das klingt ein bißchen willkürlich, wenn man bedenkt, daß die Malerin erst in Europa die entscheidenden, bewußten Schritte für ihre Kunst getan hat und sich hier ausbilden ließ. Letztlich hat sie ihre eigene, unabhängige Bildsprache gefunden, unabhängig auch von europäischen oder asiatischen Einflüssen.

Beate Naß

„Blatt-Werke“: Arbeiten der koreanischen Malerin Eun nim Ro. Im übersee-Museum

Bis zum 31.Juli