Dramaturgie des Unvermögens

Die Kubat-Räumung zeigt die Begrenztheit der Politik  ■ K O M M E N T A R

Die Regenkübel der letzten Tage spülen das Gelände nochmal klar: ein kleines, schmutziges Fleckchen Erde, direkt an der Mauer. Das gibt nicht viel her für eine große Geschichte, und nach den ersten Szenen war der weitere Verlauf der Handlung abzusehen. Am Spielort Berlin ist an Überraschungen nichts zu erwarten. Für die Stichworte bedurfte es nicht einmal eines Souffleurs. Der innere Frieden war in Gefahr, und Innensenator Kewenig ließ einzäunen, gab die Lüge über Schußwaffen und Tränengas dazu und schaffte die Grundlage für die Verhältnisse, die es gewaltsam zu klären gilt. Die politischen Parteien setzten auf den Zauber der Vermittlung. Die SPD will ihren Part gleich weitergeben an die Kirche, die FDP läuft wiederholt zur liberalen Schmiere-Form auf und ist natürlich gegen eine „gewaltsame Lösung“, und die AL schwankt zwischen Revoluzzerromantik und Realpolitik: vier Legehennen für die Besetzer, ein AL -Politiker als Besetzersprecher auf der Suche nach ein bißchen Profil und Vermittlerrollen, zu vergeben an „Verbände, Kirchen, Persönlichkeiten“. Die CDU schließlich ruft nach den alliierten Herren in der Stadt. Und die verweigern sich: die Engländer verweisen auf die Sowjets, die wiederum die „Souveränität“ des deutschen Bruderstaats hochhalten. So zieht sich alles dahin, daß schließlich der Regierende selbst gezwungen ist, ein paar belanglose Takte zu dem kleinen schmutzigen Teil zu sagen: Vermittler? Wenn's denn sein muß. Direkte Verhandlungen? Aber ich bitte Sie. Das bißchen politische Vernunft, das man doch immer wieder mal in der Stadt erhofft, ist längst schon in der Sommerpause. Die wenigen Floskeln aus dem staatstragenden Repertoire verschleiern nur mager die Hoffnung auf den Tag X der gewaltsamen Lösung. Es beleuchtet nichts deutlicher die politische Misere dieser Stadt, als daß ein ehemaliger Polizeipräsident öffentlich erinnern muß, daß Fragen, die nur mit Gewalt zu lösen seien, neu gestellt werden müßten. Oder ein Sozialdemokrat wie Dohnanyi, der zumindest den Gedanken an die Notwendigkeit von Aktionen im „rechtsfreien Raum“ öffentlich zuläßt.

Elmar Kraushaar