Feuerwehr im Spannungsfeld

■ Einsatzfahrzeuge werden nach Kreuzberger 1.Mai-Vorfällen mit Kunststoffscheiben ausgerüstet / Feuerwehr will auch unter Polizeischutz löschen

Die Berliner Feuerwehr sieht sich nach zwei Kreuzberger Mai -Feiern zur Aufrüstung gezwungen. Bei der Vorstellung des Jahresberichts 1987 erklärte gestern Landesdirektor Seidel, Löscharbeiten würden unter Polizeischutz stattfinden, sollten nochmals „Chaoten“ die Feuerwehr behindern. Entsprechende „Absprachen“ wurden mit der Polizei getroffen. Inzwischen ist die Hälfte der Einsatzfahrzeuge mit bruchsicheren Kunststoffscheiben ausgestattet. Die Feuerwehrmänner können an ihren Helmen wieder Visiere anbringen.

Natürlich hoffe die Feuerwehr nicht, wie im letzten Mai durch Barrikaden von Brandgebieten ferngehalten zu werden, kommentierte Seidel die „Absprachen“. Doch stünde in Zukunft die Polizei „in ausreichender Stärke“ bereit, wenn sie gebraucht werde. Daß die Feuerwehr von sich aus im Vorfeld möglicherweise brenzliger Ereignisse den Kontakt zu Fest oder Demoveranstaltern suchen könne, schloß Seidel aus. Er rechne nicht damit, demnächst auch die Feuerwehrautos wannenmäßig sichern zu müssen. Allerdings sei „fast selbstverständlich“, daß die Feuerwehr in Teilen der Öffentlichkeit in trübes Licht gerate, wenn sie unter Polizeischutz löschen müsse.

Insgesamt waren im vergangenen Jahr kaum mehr Einsätze zu fahren als 1986. 145.924 mal wurde die Feuerwehr 1987 alarFortsetzung Seite 1

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miert. Zu denken gibt den Branddirektoren allerdings die gestiegene Anzahl der Fehlalarme. Sie erfolgten zwar meistens „aus gutem Glauben“, erläuterte Seidel. Doch selbst eingreifen wolle offensichtlich niemand.

Mit Spannung sehen die Oberfeuerwehrmänner deshalb einem Gutachten entgegen, daß im Auftrag des Innensenators klären soll, warum in Großstädten scheinbar die Hilfsbereitschaft der Menschen abnimmt. „Befriedigend“ findet die Feuerwehr, daß nach dem Brand bei Sandoz im November 1986 und der voraufgegangenen Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nun in Berlin ein Katastrophenschutzgesetz „im Entstehen ist“ (ach ja. von wejen evakuierung und so. endlich ab inne tätärä! sezza).

Mit hiesigen Unfallkandidaten habe man zwar über die Werksfeuerwehren Kontakt. Doch solange noch über die Größe von Löschwasserauffangbecken verhandelt wird, kann die Feuerwehr nur auf Alarm warten.

So bleiben vom Jahr 1987 einige „bemerkenswerte Brände“, wie es im Bericht heißt, Tote, die aus ihren an der Mauer zerschellten Autos „geborgen“ werden müssen oder das Polizeipferd „Florett“, das elend verendet wäre, gäbe es nicht die Feuerwehr.

Das Tier, das bei einem Kontrollritt im September 1987 plötzlich die auf ihm reitende Uniform loswerden wollte, indem es in die Spree sprang, konnte mit Hilfe eines Feuerwehrkrans „aus seiner Notlage befreit“ werden.

wvb