1988 - die doppelte Null-Lösung!

■ Zum Reprint des antiautoritären Hetzblatts 'linkeck‘

Das vielbeschworene Jahr 1984 ist als als das zu Ende gegangen, das es auch war: als panikgebändigtes NICHTS!

Das Ohnesorg-Theater um 1986 hat das Opfer nochmals zum Opfer degradiert und damit die eigenen Anfänge oder roots, wie das heutzutage so schön heißt, erneut exhumiert. Unsere Leichen leben noch - aber wie?!

Das wird der Rummel des zwanzigjährigen Bestehens der sich selbst zur Legende frisierenden 68er zeigen. Diese betagten Jubiliare einer vergangenen Geschichtsklitterung werden sich als das stilisieren, das sie nie waren: als Initiateure einer neuen politischen Kultur - den Vätern sei's geklagt, den braunen und blauen Bänden dagegen gedankt.

Opfer bedingen Täter und Tote Überlebende. Letztere, als 68er berühmt-berüchtigt, fristen ihr tristes Dasein greinend in den Katakomben eines Club Voltaire oder omnipotent in den authentizitätsgeilen Medien eines sensationslüsternen Journalismus. Wer war dabei? - und alle rufen jaah! -, zwar nicht im Sportpalast, aber in den mediokren Runden der Fernsehstammtische, an denen sich die Freund-Feind-Mutanten von gestern so gern versammeln. DABEI sein ist alles, und nicht das, was ehedem gewollt war!

Nicht auf ihre Kosten sind dagegen jene gekommen, die die damalige Revolte als Veränderung der Politik und des Lebens begriffen - im Gegensatz zu den Polit-Bankrotteuren und Gesinnungsschiebern, die seit geraumer Zeit als Handlungs(?)reisende in Sachen Charakterlosigkeit auftreten. Nichts anderes also als eine als Hardware getarnte Software (oder umgekehrt) unerträglicher Poseure einer Beliebigkeit der Haltungen, des dies und das und der modischen Indifferenzen eines 'anything goes'; kurzum: auf einmal „wollen alle schon längst schwule Nazis gewesen sein“ (Hansjörg Viesel). Wer hingegen mehr der antiautoritären Revolte von damals (1967 - 1969) zugetan ist und nichts von Partei-Bonzentum und grüner Jusoisierung hält, der sollte einen gewagten Blick in das imaginäre Archiv der Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen werfen, das ab und an seine Tresore dem interessierten Publikum zum wohlfeilen Voyeurismus öffnet.

Z.B. mit der Herausgabe des Reprints der Zeitschrift 'linkeck‘ - der „ersten antiautoritären „Alternativ -Zeitung“, wie der Verlag in bekannter Bescheidenheit annonciert.

Die Themen bewegten sich dort von APO bis Basisgruppe TRIPPER, von Altnazis bis Sexualität, und wer weitergehende Ansprüche hat, mag sich das „Themenspektrum“ des 'Vorworts‘ vor Augen führen. Die Auflagenhöhe variierte übrigens zwischen beachtlichen 4.000 bis 6.000 Exemplaren. 'linkeck‘ erschien in insgesamt ungeordneten zehn Ausgaben, von denen

-wenn ich richtig gezählt habe - sieben den Beschlagnahme -Hyänen zum Opfer fielen. In heutigen Zeiten wäre dies als eminenter PR-Erfolg zu feiern. Nicht aber damals; denn keineswegs der Slogan Nummer 1 „Vergast die Kommune!“ führte zur Beschlagnahmung - vielmehr das Signet 'BZ‘ sowie ein nacktes Gesäß.

Die provokanten Inhalte, das ungestüme Äußere, das kontrollierte Chaos der Organisation und die unbändige Freude am Da-sein - das alles erinnert naturellement an DADA -, und deshalb scheint (wir erinnern uns an das Problem 'Wesen‘ und 'Schein‘!) mir ein Hinweis auf eine bereits ebenfalls legendäre Zeitschrift, die 'Schwarzen Protokolle‘, unumgänglich. Dort publizierte nämlich der über dem ganzen GEBABBEL beinahe verstummte H. D. Heilmann einst, d.h. 1973, den bemerkenswerten Artikel mit der bemerkenswerten Headline „Ein bemerkenswerter Vorläufer der Anti-Autoritären Bewegung: DADA.“

Und im konsequenten Zu-Ende-Denken von damals hieß dies: „Die Studentenbewegung mit dem Dadaismus, dem Surrealismus, den Internationalen Situationisten, der Subversiven Aktion, der Provo-Bewegung, der K 1 und den Yippies in einem bestimmten sozial-historischen Zusammengang gesehen, führt möglicherweise zu der Konsequenz, für die alten kapitalistischen Gesellschaften, die in einer ganz bestimmten rationalistisch-materialistischen, also wissenschaftlich-abstrakten und damit politischen Tradition stehenden, untrennbar an eine ganz bestimmte ökonomische und damit staatliche Entwicklung geknüpften Revolutionsvorstellungen aufzugeben.“

Das 'möglicherweise‘ können wir heutzutage getrost streichen!. Wer dagegen noch immer nicht begriffen hat, worum es in dieser Rezension geht, dem sei das 'Editorial‘ ans Herz gelegt, in dem es u.a. heißt: „Der Zeit, dem Gesetz, den Personen, der Geschichte muß Genüge getan werden. 1968 - 1987. Was einst geschrieben wurde, würde heute sicherlich nicht mehr so verfaßt werden. Aber wer weiß das schon so genau? 'linkeck‘ war natürlich eine publizistische Pionierarbeit, wenn wir es im Jargon des VEB formulieren (VEB - Vom Eigentum befreit). Wer heute 'linkeck‘ liest, wird feststellen, daß diese Zeitung mehr ist als nur zeitgenössisches Dokument. Die Skandale von damals haben letztendlich nichts an Aktualität eingebüßt. Zugegeben: Die Beleidigungen, die Unterstellungen und Verunglimpfungen, für die die ehemaligen Herausgeber von 'linkeck‘ Bußen finanzieller Art überreichlich auf sich nehmen mußten, waren zwar zeitbedingt, doch die Getroffenen von einst haben ja nicht ihre politischen Vorstellungen revidiert. Oder?“

'linkeck'ist mithin ein „Muß“ - auch Dank der mysteriösen Nummer 1.003 bezüglich der Auflage - für den verwegeneren Teil der bundesrepublikanischen gegenwärtig-widerwärtigen Jugend.

Schlußendlich: Wieso eigentlich 'linkeck‘? Na, haben Sie schon mal ein linkes 'Rechteck‘ gesehen? - Also!

Thomas Franz

linkeck, Originalformat (DIN A 3), mehrfarbiger Druck, zweifarbiger Umschlag, 96 S., Karin Kramer Verlag, Berlin, 1987, DM 49,80