Make Love, not Soft-War

IBM gegen AT&T im Kampf der Betriebssysteme / UNIX als Software der Zukunft / Vernetzung als neuer Trend  ■  Von Raul Rojas

In der amerikanischen Computerindustrie werden gegenwärtig die Weichen für die nächste Runde im Kampf um die Marktführerschaft gestellt. Die Industrieriesen AT&T und IBM haben unabhängig voneinander angekündigt, das neue Betriebssystem der 90er Jahre entwickeln zu wollen. Anders als in der Vergangenheit wird diesmal nicht eine bestimmte Hardware die Marktdominanz irgendeiner Firma begründen. Der Kampf wird auf dem Terrain der Software ausgetragen werden.

Vor etwa sieben Jahren wurde Rechtsgeschichte in den USA geschrieben. Am selben Tag wurde über zwei Antimonopol -Klagen gegen AT&T und IBM entschieden. Im ersten Fall wurde die Aufteilung von AT&T in telephonische Regionalgesellschaften verfügt. Im Gegenzug erhielt AT&T das Recht, Geschäfte nicht nur im Fernmeldesektor tätigen zu können, sondern auch in der Computerindustrie mitmischen zu dürfen. Beim zweiten Gerichtsbeschluß ging es um IBM. Obwohl bei dem Prozeß bewiesen wurde, daß IBM reichlich Gebrauch von ungesetzlichen Monopolpraktiken gemacht hatte, wurde eine Regionalisierung des Computerriesen unterlassen. Die damals gehegte Erwartung, AT&T würde den Kampf auf dem ureigenen Feld von IBM austragen und mit der Produktion billigerer und besserer Hardware beginnen, wurde enttäuscht. Statt dessen zeichnet sich eine Auseinandersetzung auf dem ureigenen Gebiet von AT&T ab: bei Entwurf und Vermarktung des populären Betriebssystems Unix.

Das Betriebssystem eines Computers ist kein physischer Teil desselben. Das Betriebssystem ist vielmehr der wichtigste Teil der Software, die mit einem Computer geliefert wird, und hat die Funktion, die gesamten Computerressourcen zu verwalten und die Befehle des Benutzers in irgendwelche Aktionen zu verwandeln. Computer-Programme werden immer für irgendein Betriebssystem geschrieben und laufen nur in Computer, die dieses Betriebssystem benutzen.

Unix wurde in den 60er und 70er Jahren bei AT&T als Betriebssystem für den eigenen Gebrauch entwickelt. Damals durfte AT&T keine Computer verkaufen, und so entschied sie sich für einen ungewöhnlichen Schritt: Unix wurde lizensiert. Jeder konnte für wenige tausend Dollar eine Unix -Lizenz erwerben und das Betriebssystem mit Computer aus der eigenen Produktion vertreiben. In wenigen Jahren wurde Unix zu dem populärsten Betriebssystem bei Minicomputer. Die Anzahl der für dieses Betriebssystem geschriebenen Programme geht mittlerweile in die Tausende.

Es scheint, daß die schon legendären Programmierer, die Unix konzipierten, den Zeitgeist der 90er schon in den 60er Jahren richtig erkannten. Als Betriebssystem ist Unix besonders beliebt, weil mit ihm mehrere Programme gleichzeitig laufen können und weil Unix keine spezielle Hardware voraussetzt. Dieses Betriebssystem bietet dem Anwender die gleiche „Benutzeroberfläche“ für die unterschiedlichsten Maschinen. So können Geräte von IBM, Apple, Unisys oder sogar ein Supercomputer wie der Cray mit den gleichen Unix-Befehlen bedient werden. Absolut inkompatible Maschinen (auf der Hardware-Ebene) werden auf der Software-Ebene kompatibel gemacht. Dies ist insbesondere für industrielle Anwender von Bedeutung, weil so die gewaltigen Software-Investitionen vor Wertverlust geschützt werden können.

Diese Kompatibilisierung der gesamten Computerressourcen ist an sich schon wichtig, erreicht aber eine neue Dimension, wenn die Vernetzung der Computersysteme ins Auge gefaßt wird. Der Trend der Zukunft in der Computerindustrie geht nämlich dahin, vernetzbare Systeme anzubieten. Statt weiter immer mehr voneinander isolierte Mikrocomputer zu installieren, werden in Zukunft den „Informations-Arbeitern“ vor allem „Workstations“ auf die Schreibtische gestellt. Eine Workstation bietet die Leistung eines früheren Mittelgroßrechners, kann mehrere Programme gleichzeitig verarbeiten, verfügt über viele ausgefeilte graphische Ausgabegeräte und ist mit anderen Workstations vernetzt. Große Firmen können in der Zukunft auf teure Großcomputer mit einfachen Terminals verzichten und statt dessen Netzwerke von leistungsfähigeren und billigeren Workstations installieren. Jeder kann entweder auf seiner Workstation arbeiten oder größere Probleme (z.B. wissenschaftliche oder technische Berechnungen) über das gesamte Netz verteilen. Wie die amerikanische „industry watchers“ schon sagen: „Das Netzwerk ist der Computer“.

Viele Computerfirmen glauben, daß Unix der Schlüssel zur Realisierung dieser kühnen Pläne ist. Da Unix hardwareunabhängig arbeitet, wird es möglich, aus sonst heterogenen Computern homogene Netzwerke zu bilden. Das Rennen um die Standardisierung von Unix hat deswegen einen strategischen Charakter.

AT&T will natürlich Unix in eigener Regie zum Industriestandard erheben. Letztes Jahr ging diese Firma einen Pakt mit dem Workstations-Produzent „Sun Microsystems“ ein, um das Unix der 90er Jahre zu entwerfen. Andere Firmen wurden eingeladen, in den exclusiven Klub beizutreten. IBM und andere große Computerfirmen (DEC, Bull, Siemens, etc.) lehnten jedoch das Angebot ab und starteten letzten Mai ein eigenes gemeinsames Projekt, um eine neue „offene“ Variante von Unix auf die Beine zu stellen. Zwei mächtige Firmenbündnisse sind entstanden, die jedes auf ihre Weise den Standard der Zukunft unter Kontrolle bringen möchte. Auf dem Papier ist der IBM-Klub der stärkste: Die dort versammelten Firmen kontrollieren etwa 40 des Computerweltmarktes. Der AT&T-Klub verfügt jedoch über fast 80 Prozent des gesamten Umsatzes von Unix-Systemen, so daß beide Firmengruppen mehr oder weniger ausgeglichene Kräfte aufbieten können. Aber auch die Europäer stecken in den Startlöchern: Seit einigen Jahren schon versucht die „X -Open„-Firmengruppe einen gemeinsamen Standard zu entwickeln. Unter dem Strich scheint es, daß am Ende der 80er Jahre drei verschiedene „Standard-Unix“ sich den Markt streitig machen werden. Das Rennen ist offen. Klar auf der Hand liegen allein die Vorteile für die Anwender.