Schlechter Start

■ Rocard hat seine Regierung gebildet

Michel Rocard hatte keinen guten Start. Schon die erste Regierungsbildung im Mai, bei der die „Öffnung zur Mitte“ nur ansatzweise gelang, glich einer Niederlage für den Premierminister. Es folgte der für die Sozialisten wenig zufriedenstellende Ausgang der Parlamentswahlen: Rocard mußte für die verpaßte absolute Mehrheit verantwortlich zeichnen. Nun präsentierte er dem „vereinigten Frankreich“ eine Regierungserklärung, die sich im wesentlichen an die von Präsident Mitterrand vorgegebene Linie hielt, ohne sie jedoch über das bereits Bekannte hinaus in ein offensives politisches Aktionsprogramm umzusetzen. Schöne Worte von der „Demokratie im Alltag“ sollten überdecken, wie bewegungsunfähig der Premierminister der zeit ist.

Rocard praktiziert eine Gratwanderung: Von der Umzingelung durch seine innerparteilichen Konkurrenten in Parlament und Kabinett um die Nachfolge Mitterrands kann sich der Premierminister nur befreien, wenn ihm die nunmehr aufs nächste Jahr nach den Gemeindewahlen verschobene Bildung einer stabilen Mitte-Links-Regierung gelingt. Doch es sind nicht nur die sozialistischen Freunde, die Rocard die Architektenrolle bei der politischen Umgestaltung Frankreichs streitig machen wollen. Schon erhebt die neugegründete Zentrumsfraktion im französischen Parlament im Falle ihrer Regierungsbeteiligung den Anspruch auf das Amt des Premierministers.

Im politischen Tauziehen um Parlamentswahlen und Regierungsbildung blieb Rocard bisher kaum Zeit zum Regieren. Der abrupte Popularitätsverlust Rocards in jüngsten Umfragen verdeutlicht den Eindruck vieler Franzosen von der Hilflosigkeit der neuen Regierung.

Beate Seel/Georg Blume