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 ■ I N T E R V I E W

„Schafft viele Kubats“

Ein 21jähriger Besetzer, der gestern nicht mit über die Mauer sprang, zieht Bilanz.

taz: Was hast du für ein Gefühl, wenn jetzt euer Dorf eingerissen wird?

Es ist schade, aber unsere Hütte brannte schon, die haben wir selber angesteckt.

Sind denn viele von euch vor der Räumung rausgegangen?

Ja, der größte Teil der eigentlichen Besetzer. Die meisten, die heute früh über die Mauer gegangen sind, waren Leute von draußen.

Und warum bist du selber nicht rübergegangen?

Das hätte ich nur gemacht, wenn ich sonst von den West -Berliner Bullen zusammengeprügelt worden wäre. Da sie uns nun diesen drei Meter breiten Streifen hier lassen, der weiter zu Ost-Berlin gehört, werde ich mich erst mal hier niederlassen. Irgendwann müssen sie uns die Wasserzufuhr wieder aufmachen.

Bist du wegen der geplanten Schnellstraße hier, oder spielt das für dich keine so große Rolle?

Es ging mir auch um den Autobahnbau, aber fünf Wochen wäre ich wegen 'ner Autobahn, die erst in zehn Jahren gebaut wird, nicht hiergeblieben.

Ich wollte gemeinsam mit Leuten leben, mit denen man 'ne gemeinsame Meinung über das System da draußen hat und meint, ein anderes Leben aufbauen zu können, gemeinsam Widerstand zu leisten. Aber das wurde eben permanent von draußen blockiert durch die ständigen Provokationen. Am Anfang vor allem gab's Probleme, weil hier Militante und friedfertige Leute zusammenkamen. Die Bullen haben immer wieder versucht, uns zu spalten.

Zählst du dich eher zu den Militanten oder zu den Friedfertigen?

Unter Umständen werde ich militant, aber ansonsten bin ich eigentlich recht friedlich. Nur wenn ich mal ganz massiv angegriffen werde, ohne Rechtfertigung, dann bin ich militant. Und wenn ich sehe, daß Militanz Sinn hat.

Glaubst du, daß hier Leute Zusammenhalt gefunden haben, der über die Räumung hinaus hält?

Ja, ich weiß es. Die Parole ist: Schafft viele Kubats! Und es müssen ja nicht Grundstücke, es können ja auch wieder Häuser sein.

Interview: plu

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