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Pro und Contra Schuldenerlaß

■ Diskussion mit A. Fatoyinbo, Weltbank, Bischof M. Kruse, Vorsitzender des Rates der EKD, K. Milke, BUKO und Oberkirchenrat K. Wilkens vom Kirchenamt der EKD anläßlich eines von der Kammer der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführten Symposiums zur Schuldenkrise

Teil 15

taz: Herr Bischof Kruse, in der EKD-Stellungnahme zur Schuldenkrise heißt es, „daß die Folgen der Krise und des bisherigen Krisenmanagements im Widerspruch zu Grundformen der christlichen Ethik stehen“. Nun hat Herr Fatoyinbo gesagt, daß zumindest die Weltbank sich nach ethischen Prinzipien ausrichte. Ist Herr Fatoyinbo jetzt der bessere Ausleger dessen, was unter christlicher Ethik zu verstehen ist?

Kruse: Die Kirchen meinen, daß die Auswirkungen der Schuldenkrise zeigen, daß die Ärmsten der Armen an den Rand der Existenz gedrückt werden. Gemessen an der Situation vieler Betroffener ist ein Tatbestand eingetreten, der nicht gerechtfertigt werden kann. Dies wird aber, so wie ich sehe, von den Gesprächspartnern hier am Tisch auch nicht bestritten. Es geht darum, gemeinsame Verantwortung zu mobilisieren, um diesen Tatbestand zu verändern, und die Armutsorientierung ist dabei ein wesentlicher Gesichtspunkt der Argumentation in den kirchlichen Stellungnahmen.

In der Stellungnahme wird auch gesagt, daß zumindest die Weltbank reformbedürftig, aber auch reformierbar sei. Uns würde schon mal genauer interessieren, wie nun eine Reform der Weltbank und vielleicht auch des Internationalen Währungsfonds aussehen könnte.

Wilkens: Was wir jedenfalls für veränderungsbedürftig halten, ist die bisher verfolgte Auflagenpolitik des IWF. Das ist auch in unserer Erklärung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden, in der wir feststellen, daß das bisherige Krisenmanagement die selbstgesteckten Ziele - zum Beispiel Wirtschaftswachstum zu schaffen - nicht erreicht hat. Ganz im Gegenteil. Diese Politik hat zu Auswirkungen geführt, die man so nicht länger tolerieren kann. Es geht also um eine Veränderung der Politik, wobei wir allerdings der Meinung sind, daß der IWF oder mehr noch die hinter ihm stehenden Regierungen dafür sorgen müssen, daß hier Korrekturen vorgenommen werden. Außerdem stellen wir uns vor, daß der IWF verändert werden muß, und zwar im Hinblick auf die Stimmenverteilung, die eindeutig zu Lasten der Entwicklungsländer geht. Hier bedarf es grundsätzlich neuer Überlegungen.

Neuerfindung von

IWF/Weltbank?

Vor einiger Zeit haben Sie, Herr Fatoyinbo, festgestellt, wenn es IWF und Weltbank nicht gäbe, müßte man sie neu erfinden. Würden Sie die beiden Institutionen tatsächlich in der gleichen Form noch einmal erfinden?

Fatoyinbo: Ich würde das wiederholen, was ich damals gesagt habe, weil ich auch immer noch daran glaube: Wenn es die Weltbank nicht gäbe, müßte man sie in der Tat erfinden. Warum? Weil die Arbeit der Weltbank dazu dient, Armut zu bekämpfen, den Lebensstandard der Entwicklungsländer zu verbessern. Vornehmlich aber ist die Weltbank dazu da, Finanzmittel zu finden, die es ansonsten für die armen Länder nicht geben würde. Die Weltbank ist stark genug, den Geldanlegern Garantien zu geben, damit sie überhaupt bereit sind, ihr Geld zu transferieren. Deshalb ist die Weltbank eine sehr wichtige Institution für all die Länder der Dritten Welt, die sich entwickeln wollen. Also, wenn es die Weltbank nicht geben würde, von wo bekämen diese Länder ihr Geld? Im Durchschnitt sind das 18 Milliarden Dollar pro Jahr, die sie für Entwicklungsprojekte und -programme benutzen können. Die Privatbanken würden das Geld nicht herausrücken, die öffentlichen Stellen, das Heißt, die Steuerzahler, haben ebenfalls kein großes Interesse, diese Gelder flüssig zu machen. Deshalb ist die Weltbank, gerade wenn es um den Transfer von Finanzen und technischem Know -How in Entwicklungsländer geht, sehr, sehr wichtig.

Milke: Aus unserer Sicht ist es viel zu kurz gegriffen, nur die beiden Geschwisterorganisationen IWF und Weltbank zu beurteilen und zu fragen, ob sie notwendig sind, ob sie abzuschaffen und so wiederzuerrichten wären, wie wir sie vorfinden. Sehr viel grundsätzlicher muß gefragt werden, was die Ursachen für die Krisenerscheinungen sind. Zwar empfinden wir hier im Norden die Weltwirtschaftskrise nicht so stark, aber in anderen Teilen der Welt sind die Menschen massiv davon bedroht. Daraus ergibt sich für uns: Wo muß man ansetzen, um die Gesamtrahmendaten für die weltwirtschaftliche Ordnung, oder besser gesagt Unordnung, neu zu stecken? Darüber hinaus, welcher gemeinsamer Einrichtungen bedarf es, um eine gerechtere und ausbeutungsfreie Ordnung zu erreichen. Ob es gemeinsamer Einrichtungen bedarf, darüber muß man diskutieren. Es gibt sicherlich Anzeichen dafür, daß solche Regelungsinstitutionen nötig sind. Allerdings, der IWF begünstigt Zerstörung und schafft durch seine Auflagenpolitik Elend und Verarmung. Und die Weltbank, die durch ihre Großprojekte schon viel Schaden angerichtet hat, wird zu einem Instrument aufgebaut, das vornehmlich den Interessen der Industrieländer dient.

Illegitimität der Schulden

In der Stellungnahme der EKD wurde die Frage nach der Legitimität der Schulden aufgeworfen. Welchen Teil der Schulden würden Sie denn als illegitim einschätzen?

Kruse: Die Kirchen sind keine Wirtschaftsinstitute und keine Finanzberatungsorganisationen. Aber es ist beim Durchdenken der Schuldenproblematik deutlich, daß die Schulden auf eine nicht durch die Entwicklungsländer zu verantwortende Weise in die Höhe getrieben wurden. Diese Entwicklungen haben ihren Grund bei uns selbst und sind von uns, von den Industrienationen, zu verantworten. Ich nenne zum Beispiel die Hochzinspolitik, die mit dazu beigetragen hat, daß sich Schuldenberge auftürmten und wobei die Frage zu stellen ist, ob das ethisch gerechtfertigt ist. Werden hier nicht Lasten abgewälzt auf die Armen, die sie nicht zu tragen haben? Unter diesem Gesichtspunkt ist eine sorgfältige Neubewertung der Schulden vorzunehmen. Das ist eine Forderung, die in den Erklärungen der Kirche erhoben wird und die, soweit ich sehe, auch bei dieser Tagung als eine generell gerechtfertigte Forderung aufgenommen worden ist. Wenn aber die Frage gestellt wird, um welche Zahlen und um welche Prozentsätze es sich handelt, so kann ich persönlich als Bischof darauf keine Antwort geben. Ich bin kein Finanzfachmann.

Wilkens: Noch eine Ergänzung dazu: Wir haben uns diese Anregungen und Forderungen nicht selber ausgedacht, sondern dies ist ein Ergebnis eines sehr intensiven Dialogs mit kirchlichen Partnern in Lateinamerika. Sie sehen eine Neubewertung der Schulden als unverzichtbar, und wir haben uns insofern ihre Forderungen zu eigen gemacht. Für die lateinamerikanischen Partner kommt hinzu, daß Forderungen, die heute noch zu begleichen sind, in einer Zeit übernommen wurden, als in diesen Ländern Militärdiktaturen herrschten. Aus diesem Grunde machen die Lateinamerikaner geltend, daß die Kredite, die damals übernommen wurden, in keiner Weise dem Volk zugute kamen, das aber heute für diese Lasten geradestehen muß.

Sehen Sie eine Chance, daß diese Kategorie der Legitimität von Schulden zu neuen Überlegungen innerhalb der Weltbank führen könnten? Oder ist die ökonomische Rationalität des vorhandenen Systems die ausschlaggebende Kategorie, in der innerhalb der Weltbank über Fragen der Verschuldung nachgedacht wird?

Fatoyinbo: Es wird in der Weltbank sehr viel über die Verschuldung nachgedacht. Es ist unsere Aufgabe, praktische Lösungen zu diesen und anderen Entwicklungsproblemen zu finden. Wir sind in der Rolle eines Vermittlers und Katalysators. Die Erfolge, so klein sie auch sein mögen, die bis jetzt in der Lösung der Schuldenkrise gefunden wurden, entstammen einer Zusammenarbeit mit den vier Hauptpartnern in dieser Frage. Zu nennen sind: Die Schuldnerländer, die Geberländer, die Privatbanken, die internationalen Organisationen. Die letzteren spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wenn Sie den Geldtransfer, der an die Entwicklungsländer geht, analysieren, werden Sie feststellen, daß die Weltbank in diesem Jahr die zahlungskräftigste Institution in diesem Vierecksverhältnis ist.

Weltbank: Angebot zum

Dialog

Nimmt denn die Weltbank die Bereitschaft der Kirchen nach engerer Zusammenarbeit auf?

Fatoyinbo: Natürlich. Die Weltbank ist bereit, mit allen Kräften zusammenzuarbeiten, die in der Lage sind, Vorschläge und Ansätze zur Lösung von Entwicklungsproblemen aufzuzeigen, und sicherlich gilt das auch für die Kirchen. Der Präsident der Weltbank war kürzlich in der Bundesrepublik und hatte in Bonn ein gemeinsames Gespräch mit Vertretern beider Kirchen. Davor war er in Rom, wo in einem Meinungsaustausch mit dem Heiligen Vater Informationen zur Schuldenkrise ausgetauscht wurden.

Jetzt noch einmal die Frage, die Sie, Herr Fatoyinbo, vorhin nicht ganz beantwortet haben. Die beiden Kirchenvertreter haben darauf hingewiesen, daß die Legitimität der Schulden zu einer politisch-ethischen Auseinandersetzung führen könnte. Wäre die Weltbank unter Umständen bereit, einen Dialog über die konkrete Ausformulierung von Kriterien, welche Schulden legitim oder illegitim sind, zu führen?

Fatoyinbo: Die Weltbank ist in der Lage, jedem, der mit uns partnerschaftlich zusammenarbeiten will, ein Forum anzubieten, um Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren. Sie ist ebenso in der Lage, wenn sie darum gebeten wird, ihre eigenen technischen Kräfte und ihre Sachkenntnis anzubieten, damit man in Konfliktfragen zu gemeinsamen Lösungen kommen kann. Natürlich sind wir Fachkräfte, und die Bank ist eine Fachinstitution und wird deshalb eher zu Fachfragen Stellung nehmen, als zu ethischen und moralischen Fragestellungen. Damit ist jetzt nicht gemeint, daß das, was wir machen, unethisch oder unmoralisch ist. Im Gegenteil: Armut bekämpfen, um den Lebensstandard zu erhöhen, ist ethisch und außerordentlich moralisch.

Kruse: Aber diese Frage, die wir hier diskutieren und die von den Kirchen gestellt worden ist, ist eine Sachfrage, bei der ich den nüchternen Rechenverstand und politischen Verstand gebrauche, ob nicht ein Teil der Zinslasten ungerechtfertigterweise auf den Entwicklungsländern liegt und darum eigentlich von ihnen nicht zu tragen ist. Ob also der Schuldendienst dieser Länder zu verantworten ist und nicht zu einem Teil auch zu Lasten der Industrienationen gehen müßte. Um das zu verstehen braucht man nicht das Gewissen oder einen moralischen Appell. Dazu braucht man zunächst einmal den kühlen Verstand.

Milke: Gleichwohl ist aber die Frage nach der Legitimität bzw. Illegitimität, die unter anderem eine Möglichkeit, bei vielen Menschen die Ursachen dieses Verschuldungsprozesses überhaupt zu problematisieren. Nur wenn die Hintergründe und Dimensionen der Verschuldungskrise klar sind, ist es möglich, nach Lösungen zu suchen. Die Frage nach der Legitimität kann in der Richtung beantwortet werden, und das entspricht auch unserer politischen Forderung, daß über dieses Weiterdenken als Konsequenz eine globale bedingungslose Schuldenstreichung erfolgt. Als Gründe dafür sehen wir unter anderem die nur auf Profit ausgerichtete Anlagepolitik der Banken und die Ausbeutungspraktiken der Konzerne. Die Frage nach der Legitimität zu stellen, heißt: Wer hat die Hauptlast und die Hauptverantwortung eigentlich zu tragen? Von daher ist zwischen dem, was wir wollen, und dem, was in den Kirchenpapieren enthalten ist, eine Verbindungslinie zu ziehen, jedenfalls was die Ursachenanalyse anbelangt. Unterschiede gibt es wohl nur in den Forderungen. Die Kirchen plädieren auf Teilschuldenerlaß und Vergleichslösung, wir gehen jedoch viel weiter. An die Kirchen gerichtet möchte ich sagen: Die Forderung, so weit wie möglich zu gehen, ist auch deshalb wichtig, weil auf der Verhandlungsstrecke letztendlich doch nur Kompromisse herauskommen und von daher Gläubigerbanken, Regierungen und auch Finanzinstitutionen sich mit unseren Forderungen, daß überhaupt nichts von den Schulden legitim ist, konfrontiert sehen müssen.

Das Stichwort vom Schuldenerlaß ist jetzt noch einmal gefallen. Die Kirchen fordern lediglich einen partiellen, keinen globalen Schuldenerlaß. Könnte sich die Weltbank eigentlich vorstellen, ein Konzept einer partiellen Entschuldung in Angriff zu nehmen?

Fatoyinbo: Die Weltbank hat sehr viele der Vorschläge und Initiativen, die in der Öffentlichkeit gehandelt werden, analysiert. Aber auch die Bank selber ist dabei, neue Lösungswege zu erarbeiten, die den Anfang einer neuen Initiative darstellen könnten. Deshalb kann ich Ihre Frage nur partiell beantworten, indem ich sage: Natürlich, Teilschuldenerlässe sind ein Teil möglicher Lösungen und zwar besonders für die ärmsten Länder Afrikas, die zum Beispiel öffentliche Kredite bekommen. Deshalb ist auch das, was die Bundesrepublik und andere Länder bezüglich des partiellen Schuldenerlasses in die Wege geleitet haben, von der Weltbank sehr stark zu begrüßen.

Schuldenerlaß?

Auf dem Weltwirtschaftsgipfel wurden eine Reihe Überlegungen zum partiellen Schuldenerlaß angestellt. Aber, wenn man über Schuldenerlaß redet, muß man dann nicht auch über die hochverschuldeten Länder Lateinamerikas sprechen? In welchen Kategorien, Größenordnungen denken die Vertreter der Kirchen darüber nach?

Wilkens: Ich möchte noch einmal betonen, daß wir uns in unserer Stellungnahme weder auf generellen noch partiellen Schuldenerlaß festgelegt haben. Unter dem Gesichtspunkt der Legitimität der Schuldenhöhe ist es notwendig, daß eine Neubewertung der Schulden stattfindet. Das läuft dann schon auf eine Reduzierung der den Entwicklungsländern anzulastenden Schuldensumme hinaus. Dann ist darüber zu reden, wie eine zukunftsorientierte Lösung gefunden werden kann, zu der alle Beteiligten - nicht zuletzt die Entwicklungsländer selbst - beitragen und die den Schuldnerländern eine längerfristige Planung ihrer wirtschaftlichen Zukunft überhaupt erst ermöglicht. Dabei geht es dann um private und öffentliche Schulden. Dies muß man auch unterscheiden. In manchen Ländern Afrikas, wie zum Beispiel im Sudan, einem Musterknaben des IWF, beträgt das Bruttosozialprodukt pro Kopf 250 Dollar. Die Schuldenlast aber 373 Dollar pro Kopf. Ein Totalerlaß der öffentlichen Schulden ist dort also geboten. Anders sieht es sicherlich in Lateinamerika aus, wo in erster Linie kommerzielle Kredite gewährt worden sind. Hier sind wir der Meinung, daß eine Art Vergleichslösung gefunden werden sollte. Möglicherweise zusammengerufen durch eine Gruppe von „eminent persons“ sollten dann alle Beteiligten an einen Tisch kommen um eine Lösung zu finden. Dabei würde unter anderem wahrscheinlich teilweise ein Schuldenerlaß herauskommen, der sich an der Wirtschaftskraft des Landes orientiert und nicht an der Summe der aufgelaufenen Schulden. Wichtig ist auf jeden Fall, daß eine Lösung gefunden wird, die den Entwicklungsländern eine Zukunft ermöglicht. Das heißt auch, daß die politischen Aspekte der Verschuldung dieser Länder nicht außer acht gelassen werden dürfen. Ich denke vor allem an einen Zerfall der staatlichen Gebilde, der im Hinblick auf die bisherige Regelung der Schuldenproblematik zu denken gibt.

Gegen den politischen Vorschlag einer globalen Schuldenstreichung wird ja immer der Einwand erhoben, daß damit auch die Schulden von Diktaturen wie in Chile oder in Südafrika gestrichen werden, die man ansonsten nicht unterstützen will. Wie kann man sich mit diesem Einwand auseinandersetzen? Sind nicht auch die Überlegungen der Kirche für den BUKO ein Anlaß, von der weitgehenden Forderung einer globalen und sofortigen Schuldenstreichung etwas abzurücken und den konkreten Beitrag der Kirchen mitzuforcieren?

Kruse: Ich darf diese Frage noch weiter unterstützen und möchte Sie, Herr Milke, auf Ihre eigenen Sätze hinweisen. Sie haben gesagt, wenn wir ehrlich sind, meinen wir es gar nicht so global. Sie nennen diese Vorgehensweise politisch, nach dem Motto: Man muß seine Ziele möglichst weit stecken, erreicht sie aber sowieso nicht. Im Grunde genommen sind Sie, wenn Sie von den unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern ausgehen und diese berücksichtigen, viel näher bei der kirchlichen Position, als es während dieser Tagung in Ihrem Beitrag herausgekommen ist.

Milke: Ich versuche, das noch einmal deutlich zu machen. Die Forderung, die gestellt wird, lautet: Wir unterstützen die Forderung auf Streichung der Schulden, wie sie in den Schuldnerländern erhoben und an uns übermittelt werden. Zu den beiden genannten Beispielen Chile und Südafrika ist zu sagen, daß heute, bezogen auf Südafrika, die Schwarzen dort die Forderung auf Streichung der Schulden gegenüber dem Apartheid-Regime selbstverständlich nicht unterstützen werden. Von daher wird diese Forderung auch von unserer Seite nicht aufgestellt. Für Chile stellt sich das etwas anders dar. Die oppositionellen Kräfte und Basisorganisationen dort, die jahrelang politischen Widerstand gegen das Pinochet-Regime geleistet haben, geben uns immer wieder zu verstehen, daß eine Schuldenstreichung für sie eine Entlastung mit sich bringt, gerade auch deshalb, um wieder politisch arbeiten zu können. Die ständige Sorge, das Existenzminimum abzudecken, die Familien zu ernähren, absorbiert so viel Kraft, daß oft an eine politische Arbeit nicht mehr zu denken ist. Insofern kann man natürlich sagen, daß auch uns Bedingungen vorgegeben werden, auf die wir einzugehen haben. Als Gradmesser unserer Arbeit nehmen wir aber das, was sich konkret in dem jeweiligen Land artikuliert. Sicherlich ist das nicht einfach, man muß schon genau hinschauen. Gerade wir als Europäer, die immer meinen, alles und jedes zu wissen und die richtigen Rezepte in der Tasche zu haben, sollten uns da sehr sensibel verhalten. Wir lehnen es eben ab, daß wir diejenigen sind, die Bedingungen und Konditionalitäten zu stellen haben. Wenn man Banker und IWF-Vertreter richtig versteht, gehen die davon aus, genau zu wissen, was unterentwickelten Ländern fehlt und wie sie ihre Entwicklung gestalten sollen. Und nur, wenn die Entwicklungsländer sich entsprechend verhalten, bekommen sie neue Kredite. Das ist für den BUKO überhaupt nicht der richtige Weg. Auch gegen solche Praktiken protestieren wir im Rahmen der IWF/Weltbank -Kampagne.

Interview: Kurt Hübner und Eva Hiltrop

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