Seh'n oder Nichtseh'n

■ Radio Bremen-Vorabendserie aus Bayern: „Die glückliche Familie“ mit Maria Schell

Seit es Fernsehen gibt, gibt es Familienserien: Mit den „Schölermanns“ fing es an, dann kamen die „Hesselbachs“, und irgendwann die Scholzens, „Die Unverbesserlichen“ genannt, mit Inge Meysel alias Kääääthe als Urmutter allen familiären Muddelns und Mauschelns. „Die Unverbesserlichen“ haben nach mehrfachen Wiederholungen längst einen festen Liebhaberstamm, sind in ihrer Spießigkeit von einer Patina der Nostalgie umglänzt und gelten als unerreicht. Kein Wunder: Da flogen einem ja die Alltagskonflikte nur so um die Ohren: Von der Aufregung um den verlegten Lottozettel bis zur Aufregung um das uneheliche Kind der Tochter Scholz war alles vorhanden, was unterhaltsamen Schmackes bringt, dramaturgisch bis ins Letzte ausgefeilt und durchlitten von Schauspielern, die es verstanden, das „wie-du-und-ich-und -doch-ganz-anders„-Gefühl zu suggerieren.

Davon sind alle Nachfolge-Serien weit entfernt. Aber das Genre „Familienserie“ wird nun mal unverdrossen fortgesetzt, mit schicken, „modernen“ Problemen vollgepackt, wildwüchsig auf einen Konflikt-Komposthaufen geschichtet wie in der „Lindenstraße“ oder mit Todesfall und Witwenglück versehen wie bei den „Drombuschs“.

Doch nun gibt es - bis auf Weiteres jeden Samstag um 19 Uhr

-im Bremer Vorabendfernsehen schlicht und ergreifend „Die glückliche Familie“ aus Bayern zu sehen - eine Familie, die Lichtjahre von den „Unverbesserlichen“ und sogar von den „Drombuschs“ entfernt ist. Denn eine Familie, die sich schon im Titel programmatisch-beschwörend „die glückliche“ nennt, kann nur noch im Modder der Pseudokonflikte versinken und Unterhaltsamkeit reduzieren auf die Verwurstung von Larifari -Klischees.

Mit Maria Schell in der Rolle der Mutter ist bereits alles gestorben: Sie weiß nichts zu spielen außer sich selbst, die Diva aus fernen Zeiten. Holdselig und positiv strahlend lächelt sie sich wie in seligen Ufa-Zeiten durch jede Folge, und dauernd erwartet man bangend, daß Dieter Borsche aus der Gruft steigt oder sich O.W. Fischer um die Ecke schleppt, um die Matrone hinwegzuführen aus einem Leben ohne Weichzeichner, für das sie nicht geschaffen ist. Drei Töchter hat sie, synthetisch, jung und ziemlich unbeschäftigt: Die eine soll angeblich an der Uni sein, die andere in der Schule, „kurz vor'm Abi“, die dritte, Tami, zehn Jahre alt, ist ein ganz unerträglich süßer Fratz, der alle - samt Opa - um den Finger wickelt und dem man niemals bös sein kann.

Maria Schell ist, außer Mutter, noch „freie Journalistin“ und bedient wurstfingerfertig einen Heimcomputer, um eine Frauenzeitung zu beliefern mit „kritischen Kommentaren“ oder Ausstellungsberichten von einer „Wernissaaaasch“. Wer fehlt noch? Vater Florian, der Dipl.Ing., der sich beruflich irgendwie mit Computern zu schaffen macht und letzten Samstag mit Iris Berben ein Techtelmechtel anfing, was aber natürlich kein Techtelmechtel war, sondern nur für Maria Schell so aussehen mußte, die sich daraufhin mit Dr. Dr. Kovacs, dem Schönheitschirurgen, zusammentat, um Vati eifersüchtig zu machen, weil der schon vor fünf Jahren also lange vor „unserer“ Zeit - „die G'schichte mit so'ner Norwegerin“ gehabt und zwei Monate seitlich abgesprungen war.

Von Mann zu Mann („schlaft Ihr noch mit'nander?“) und von Frau zu Frau („verkauf‘ dich doch nicht unter Wert“) wird dieser mitreißende Konflikt dann schließlich beigelegt. „Ich mag sogar seinen kleinen Bauch“, strahlert Maria Schell, und schon weiß man: Das kann nur große Liebe sein. Von Vati hört man allerdings nicht, ob er den Reißverschlußmund seiner Gattin ebenso liebt wie sie sein Bäuchlein. Aber egal, es gibt ja sowieso nur blinden Alarm in dieser glücklichen Familie. Von Aufregenderem als von durchsichtigsten Mißverständnissen werden diese synthetischen Nullen nie gebeutelt sein. Ach, Kääääthe, könntest Du nicht Frau Schneider-Lützgendorf nach Bayern schicken, damit sie die Behringers mal tüchtig aufmischt?

Sybille Simon-Zülch