Unzerstörbare Erinnerung in Beton

In Bremen-Rekum rottet der größte U-Boot-Bunker der Welt vor sich hin / In den Fundamenten liegen die Leichen zahlloser ZwangsarbeiterInnen / Sonntägliche Radtour der DFU  ■  Iwan Dasko

22 Jahre

+19.5.1945

Russe

Elf Tage nach Ende des zweiten Weltkrieges starb der junge Zwangsarbeiter entkräftet an den Folgen der jahrelangen Fronarbeit für die Nazis. Die Befreiung durch die Briten im April 1945 kam für ihn zu spät. Mit mehr als 100 Leidensgefährten, Holländern, Serben, Kroaten, Polen, Franzosen, die in den Wochen nach Kriegsende starben, liegt er auf einem Friedhof bei Neuenkirchen, drei Kilometer hinter der Bremer Stadtgrenze.

„So was haut mich immer um, das kann ich nicht gut ab.“ Ernst Busche, Aktivist der Deutschen Friedensunion, steht mit ein paar Mitstreitern zwischen den grasbedeckten Gräbern. Vor zwei Tagen ist Busche von einer Blockadeaktion der Giftgaskaserne Fischbach in der Pfalz zurückgekommen, gestern hatte er bereits zur nächsten Aktion geladen - zur Radtour zu den Militäranlagen nördlich Bremens.

„Friedhofsanlage für Übungen gesperrt,„ steht am Eingang zu dem kleinen Friedhof, denn auch die Mahnstätte gegen Faschismus und Militarismus ist Bestandteil einer militärischen Anlage: Einen

Steinwurf davon entfernt ist eine Panzerbrigade untergebracht. Ein Blick durch die grünen Büsche, die den Friedhof begrenzen, zeigt eine riesige Kraterlandschaft, Wunden, die die schweren Kettenfahrzeuge in den Waldboden gerissen haben.

Dasko gehört zu den mehr als

zehntausend Zwangsarbeitern, die in dieser Gegend von 1943 bis Kriegsende an Bremens größtem Bauwerk geschuftet haben: Dem U-Boot Bunker „Valentin“. Etwa vier Kilometer von dem Friedhof entfernt steht der gigantische Betonklotz in Bremen -Rekum an der Weser; 500 Meter lang, 100 Me

ter breit und etwa 30 Meter hoch, der größte Bunker der Welt, wie Ernst Busche zu erzählen weiß. Im Beton liegen die Leichen zahlloser Arbeitssklaven, die, wenn sie entkräftet starben, einfach in die Fundamente geworfen wurden.

In der Betonburg sollten U

Bootteile, die auf der AG Weser und beim Vulkan gebaut worden waren, geschützt vor „feindlichen“ Bombern endmontiert werden. Doch bevor das Bauwerk seiner Bestimmung übergeben werden konnte, war der Krieg zuende.

Zwanzig Jahre gammelte der Bunker vor sich hin, dann entdeckte die Bundeswehr, daß das, was den Nazis wert auch ihr von Nutzen sein konnte. Stacheldrahtbewehrte Zäune wurden um den Klotz gezogen und das Marinematerialdepot II hielt Einzug. Auf etwa 50 Prozent der Innenfläche werden jetzt Ersatzteile für maritimes Kriegsgerät gelagert.

Vor dem Eingang zu dem Depot versammelten sich 40 Jahre nach beginn des Baus am 17. September 1983, Friedensfreunde, Antifaschisten und Vertreter der Stadt Bremen zur Enthüllung eines Denkmals: Zerquetschte Leiber unter einer hohen Betonsäule. Auch einige der ehemaligen Zwangsarbeiter und Angehörige der Opfer waren gekommen. „Die alten Franzosen fingen an zu zittern, als sie den Bau wiedersahen“, erinnert sich Busche, bevor er mit den Friedensradlern zum nächsten militärischen Beton aufbricht: der Panzertrasse Garlstedt.

hbk