Drogen: Drücker unter Druck

■ Zwei Bremer Drogentote in einer Woche, schon 20 in diesem Jahr / Grüne Bundes-AG verabschiedete in Bremen Forderungen für eine „akzeptierende Drogenpolitik“

Fixer in Bremen sterben. Schon 20 Tote - zwei allein in der letzten Woche - wurden in diesem Jahr neben der Spritze mit dem letzten „Druck“ gefunden, in dreckigen Toiletten, herruntergekommenen Hotels und Kellerlöchern. 28 Drogentote gab es im bisherigen „Rekordjahr“ 1987.

Die Statistik verharmlost die Situation eher. Rauschgiftabhängige, die im Krankenhaus an „Herzversagen“ sterben, werden in den Zahlen der Bremer Behörden ebensowenig erfaßt wie z.B. eine drogenabhängige Frau, die nach einem positiven HIV-Test nicht mehr weiter wußte und sich vor einen Zug warf.

Mit Aids und der Angst davor allein ist der sprunghafte Anstieg der Todesfälle jedoch nicht zu erklären. Drogensüchtige sterben nicht in erster Linie am Rauschgift oder am HIV-Virus und schon gar nicht am bewußt gesetzten „goldenen Schuß“, sondern an Armut und Perspektivlosigkeit: Wo das Geld für den Stoff nicht mehr ausreicht, weil Aids -ängstliche Freier ausbleiben, Autoradios schlechter abzusetzen sind und Ladendiebstähle immer

schwieriger werden, werden recht und schlecht „Substitutionsdrogen“ genommen: Codein-Präparate, Schlaftabletten, Psychopharmaka - alles, was Ärzte auf Privatrezept verschreiben, wird inzwischen gespritzt und geschluckt. Häufig mit schlimmeren Folgen als der „reine“ Heroin-Druck. In der Szene kennt man das Riskio der Drogen -Cocktails, die zu Lähmungen des Atemzentrums und zum Erstickungstod führen können. Trotzdem sind dreißig Mark für ein Valium-Rezept immer noch schneller aufgebracht als 300 Mark für den täglichen Heroin-Bedarf.

Drogenberater und Hilfegruppen, die nach einem Ausweg aus dem Teufelskreis zwischen Sucht und Verarmung grübeln, sehen vor allem eine Chance für Drogenabhängige: Öffentliche Programme zur kontrollierten Vergabe der Ersatzdroge Methadon. Auch wenn Aids in Justiz-und Sozialbehörden Umdenkungsprozesse in Gang gesetzt hat - bei Sozialsenator Henning Scherf stießen Methadon-Programmebislang ebenso auf Ablehnung wie bei seinen Justiz-und Gesund

heitskollegen Kröning und Rüdiger. Schützenhilfe können sich die Befürwörter eines Methadon-Programms jetzt bei der Bundestagsfraktion der Grünen erhoffen. Im Bremer Ibis-Hotel diskutierten am Samstag Delegierte mehrer grüner Landesverbände und Vertreter von Aids-Hilfe-und Drogen-Hilfe -Projekten die Chancen einer „akzeptierenden Drogenpolitik“, die Drogenabhängige nicht allein auf die bislang wenig erfolgreichen Therapieangebote verweist. Eine der wesentlichen Forderungen, die die Arbeitsgruppe - neben der Verbesserung der Wohn-, Ernährungs-und Arbeitssituation verabschiedete: Wie in Bern, Zürich oder Amsterdam sollen auch in bundesdeutschen Städten Räume eingerichtet werden, in denen Abhängige saubere Spritzen und Nadeln, destilliertes Wasser (statt Wasser aus Toilettenbecken), und notfalls auch ärztliche Hilfe finden, um sich einen Druck zu setzen. Immerhin: Im angeblichen Drogen-Mekka Amsterdam starben in diesem Jahr bislang weniger Menschen an der Sucht als in Bremen.

K.S.