Wenn die spitze Feder des Karikaturisten trifft

Konflikt um eine Ausstellung des „Instituts der Arabischen Welt“ in Paris / Irakische Botschaft nahm Anstoß an einer Zeichnung, die Militärdiktaturen geißelt / Angestellte des Instituts protestierten erfolgreich / Institut wird von Frankreich und arabischen Staaten getragen  ■  Aus Paris Beate Seel

Der glorreiche Staat Bahgatiya ist eine Schöpfung des ägyptischen Karikaturisten Osman Bahgat. Dort gibt es einen Militärdiktator namens Bahgatouss, der sich an die Macht geputscht hat, Briefmarken und Münzen, die sein Konterfei tragen, eine Vielzahl von Orden, eine gleichgeschaltete Presse, Korruption, Repression, kurz, Bahgatya ähnelt einem einzigen großen Gefängnis. Die Zeichnungen von Osman Bahgat sind derzeit in einer Ausstellung arabischer Karikaturen in Paris zu sehen, veranstaltet vom Institut der Arabischen Welt (IMA). 14 Künstler aus acht arabischen Ländern greifen dort mit Feder oder Pinsel Mißstände auf, seien es die täglichen Sorgen des kleinen Mannes, die Situation der Frau, die Probleme mit der Bürokratie.

Einige der Karikaturisten arbeiten für Regierungs- oder Parteiblätter ihrer Länder, andere haben sich in Paris oder London niedergelassen, einer, der Palästinenser Naji al Ali, mußte im letzten Jahr für seine Zeichnungen mit dem Leben zahlen. Es ist für die westlichen Besucher vielleicht überraschend zu sehen, daß selbst in Ländern wie Libyen, Syrien oder Irak auch in offiziellen Organen Zeichnungen erscheinen, über die man schmunzeln kann. Hat man selbst schon einmal ein arabisches Land besucht, sind zahlreiche Mißstände wiederzuerkennen.

Dies ist offensichtlich auch einer arabischen Botschaft in Paris so ergangen. Doch nicht der Phantasiestaat Bahgatiya zog den Unmut Iraks auf sich - vielleicht nur deshalb, weil der Zeichner ein Ägypter ist und dieses Land im Golfkrieg an der Seite Iraks steht. Es war vielmehr eine Zeichnung von Ali Farzat aus Syrien, dem alten Rivalen der irakischen Baathisten. Das kleine Blatt, das in allgemeiner Form Diktaturen in aller Welt auf die Schippe nimmt, fällt gar nicht mal besonders aus dem Rahmen. Es zeigt einen Militärdiktator, reich behängt mit Orden, der die leere Schüssel eines Bettlers mit weiteren Auszeichnungen füllt. Grund genug für die irakische Botschaft, ihren obersten Dienstherren Saddam Hussein (und damit die Zustände in ihrer Heimat) in besagtem Diktator wiederzuerkennen.

Prompt drohte die Botschaft damit, ihre künftige Mitarbeit an dem Institut zu überdenken, falls der Stein des Anstoßes nicht beseitigt werde. Und dies, obwohl der abgebildete Diktator keineswegs die Züge Saddam Husseins trägt. Für die Botschaft stand fest, daß es sich nur um einen gezielten Schlag ihres Erzfeindes Syrien handeln konnte.

Nach einigem Tauziehen hinter den Kulissen gaben die Veranstalter schließlich nach und hängten das inkriminierte Blatt ab. Damit riefen sie jedoch die Angestellten des IMA auf den Plan, die aus Protest gegen die Zensur ihre Arbeit niederlegten und den Ausstellungsraum „besetzten“. Am folgenden Tag war der Konfkikt, zumindest für die Öffentlichkeit, wieder beigelegt, nachdem der Präsident des IMA, Paul Carton, eine Erklärung veröffentlichte, in der es hieß: „Die Ausstellung über die arabische Karikatur wird wie geplant und vollständig bis zum vierten September fortgesetzt.“ Pünktlich um 13Uhr war die Ausstellung wieder offen, und die Besucher konnten erneut die Zeichnung Ali Farzats bewundern. „Diese Zeichnung hat einen Orden verdient“, schrieb ein Besucher mit Filzstift auf das Glas des Bilderrahmens, ein anderer: „Geld für den Krieg oder für die Kunst“?

Der Streit um die Karikatur mag erhellend sein für den Grad an Selbsterkenntnis in der irakischen Botschaft, er weist jedoch zugleich auf ein grundlegendes Problem des Instituts hin, das zu gleichen Teilen von Frankreich und den arabischen Staaten getragen wird. Angesichts der Konflikte und Rivalitäten in der arabischen Welt hätte man für künftige Ausstellungen fürchten müssen, hätte das IMA dem Druck der Botschaft nachgegeben.