Kronzeuge appelliert an Botha

Einer der beiden Hauptbelastungszeugen im Prozeß gegen die „Sechs von Sharpeville“ schrieb einen Brief an den südafrikanischen Präsidenten Botha, in dem er beschreibt, wie die Polizei ihn zur Falschaussage zwang  ■  Von Michael Fischer

Berlin (taz) - „Von Mensch zu Mensch, weil wir alle von dem selben Gott erschaffen wurden, schreibe ich Ihnen, Herr Staatspräsident, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, über den Fall der 'Sechs von Sharpeville‘. Denn wir, die Zeugen der Anklage, die von der Polizei unter Druck gesetzt wurden, sind nicht glücklich über unsere Aussagen.“

Mit diesen Sätzen beginnt der am Freitag in der südafrikanischen Wochenzeitung 'City Press‘ abgedruckte Brief von einem der beiden Haupt-Belastungszeugen im Prozeß der „Sechs von Sharpeville“. Empfänger: Apartheid-Chef Botha und sein Oberster Richter.

Joseph Manete schildert in dem handgeschriebenen Brief, wie die Polizei ihn mit Folter zu seiner Falschaussage gezwungen hat. „Ich sagte ihnen, daß ich die Namen der sechs Beschuldigten nicht kenne. Daraufhin schlugen sie mich und stießen mich mit dem Kopf gegen die Wand. Sie drohten mir mit langen Haftstrafen und Folter. Sie sagten, sie würden mich töten, wenn ich nicht kooperierte.“

So eingeschüchtert habe er schließlich eine Zeugenaussage unterschrieben, die die Polizei für ihn angefertigt hatte. Darin bestätigte er, zwei der Beschuldigten bei dem Lynchmord an einem schwarzen Stadtrat 1984 gesehen zu haben. Vor dem Richter habe er die Aussage wiederholt, da die Polizei ihm drohte, ihn wegen Meineids anzuklagen.

Die „Sechs von Sharpeville“ waren 1985 zum Tode verurteilt worden, weil sie angeblich dabei waren, als der vom Apartheid-Regime eingesetzte stellvertretende Bürgermeister des Townships Sharpeville, Dlamini, während massiver Proteste gegen Mieterhöhungen gelyncht wurde. Keinem der Verurteilten konnte eine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden.

Richter Human reichte der Tatbestand der „gemeinsamen Absicht“. Er blieb bei seinem Urteil, auch nachdem im März dieses Jahres Manete erklärte, daß er von der Polizei zu seiner Aussage gezwungen worden war. Die Hinrichtung soll nun nach dem 19. Juli erfolgen. Bis dahin will die Verteidigung den Präsidenten des Berufungsgerichts anrufen, das Verfahren neu aufzunehmen.

Die Rechtsanwälte der Verteidigung haben allerdings keine großen Hoffnungen, daß der „Chief Justice“ einer Neuaufnahme zustimmen wird. Als letzte Möglichkeit bleibt noch ein Gnadengesuch an Botha. Der hatte ein erstes Gnadengesuch bereits Anfang Januar dieses Jahres abgelehnt.