Bücher zur Befreiung

■ Das Namibia-Projekt übergab der SWAPO neues Unterrichts-Material für ihre Exil-Schulen

Im prunkvollen Kaminsaal des Bremer Rathauses war für eine Stunde die Welt verdreht. Rotbefrackte weiße Saaldiener füllten Sekt und Orangensaft in die Gläser schwarzer Namibier aus dem früheren „Deutsch-Südwest“. Bürgermeister Henning Scherf sprach von der „Minderheit“, die den Südafrika-Handel über die bremischen Häfen noch wolle, aber auch das höre hoffentlich bald auf. Helmut Kangulohi Angula, Vertreter der namibischen Befreiungsorganisation SWAPO bei der UNO, begrüßte den Vertreter der sahrauischen Befreiungsbewegung Polisario in Bonn gleich als „Botschafter“, und der Schwede Bernt Carlsson, UNO-Kommissar für Namibia, sagte ganz einfach: „Die Forderung nach Unabhängigkeit für Namibia wird von fünf Milliarden Menschen unterstützt; nur die fünf Millionen Weißen in Südafrika sind dagegen.“

Der Anlaß für die Begegnung: Bis zum Mittwoch findet an der Bremer Uni ein viertägiger Workshop des Namibia-Projektes statt. Uni-Professor Manfred Hinz nutzte die Anwesenheit vieler Namibier, der SWAPO neues Unterrichtsmaterial für ihre Exil-Schulen in Sambia und Angola zu übergeben. Darunter ist etwa das Geschichtsbuch „Namibia in History“ für die Mittelstufe, das im Gegensatz zu den rassistisch geprägten Schulbüchern der Apart

heid die namibische Geschichte aus der Sicht der unterdrückten Mehrheit darstellt, und eine große ergänzende Tonbildschau. Zu den zehn Titeln gehört ferner ein autobiografischer Roman von Angula und ein Gedichtband mit namibischen Autoren, aber auch der dicke Band „Ein Land eine Zukunft“, dessen 36 Beiträge sich an die hiesigen PolitikerInnen, LehrerInnen oder sonstwie Neugierige wenden. Die Mehrzahl der AutorInnen stammt aus Namibia.

Die Übergabe schließt die zweite Phase des Namibia -Projektes an der Uni ab, in dem die WissenschaftlerInnen unter dem Leitgedanken „Education for Liberation“ in enger Abstimmung mit ihren namibischen Kollegen und PädagogInnen neue Schulbücher entwickeln, die nicht nur in den Schulen der Flüchtlingslager, sondern nach der Befreiung auch in den Schulen Namibias eingesetzt werden sollen. An Geldgebern mangelt es dabei noch: Vom Geschichtsbuch wurden erst 1.000 Exemplare gedruckt, während 10.000 benötigt werden. Auf dem Workshop werden die nächsten Veröffentlichungen diskutiert und vorbereitet, darunter auch ein Erdkunde-Buch.

Ob der Orangensaft, den die Saaldiener ausschenkten, aus südafrikanischen Früchten gepresst wurde, war nicht in Erfahrung zu bringen.

mc